Die eigene Kita gründen

Wie geht das eigentlich?

Der Markt für Kinderbetreuung wächst: Immer mehr Eltern geben ihr Kind in eine Kinderkrippe oder eine Kita. Auch der Staat möchte die Kapazitäten an Kindertagesstätten ausbauen und nimmt dafür Geld in die Hand. Ganz eindeutig: Hier ist ein Markt für Gründer. Aber wie macht man es, wenn man seine eigene Kita gründen will? Was kommt da auf dich zu? Ist das nicht viel zu kompliziert, mit Betriebserlaubnis, Sozialbehörde und allem? Wir haben uns mit Kati unterhalten, die vor einigen Jahren in Hamburg eine Kindertagesstätte nach skandinavischem Vorbild gegründet hat.

Kati, du hast 2011 deine eigene Kita gegründet. Vielen Dank, dass wir dein Geschäftsmodell in der Gründerplattform vorstellen dürfen, sodass andere Gründer von deinen Erfahrungen profitieren können. Beschreib ihnen doch mal, was deine Einrichtung ausmacht.

Wir arbeiten in unserer Kita auf Augenhöhe mit dem Kind und gehen von dem Gedanken aus, dass wir mehr von den Kindern lernen als sie von uns. Der Unterschied zu anderen Kindertagesstätten ist, dass wir die Blickrichtung der Kinder einnehmen, wir lernen ihre Sprache, nicht umgekehrt. Uns interessiert in der Betreuung, wo die Kinder stehen, wie sie unterwegs sind – und was wir selbst verlernt haben.

Wir haben Kati auch vor der Kamera interviewt. Im folgenden Video erklärt sie ihr Angebot mit Blick auf die Eltern:

Was war die ursprüngliche Idee für deine Gründung und was ist daraus geworden?

Die Idee entstand, als ich in Schweden gelebt habe. Dort werden Kinder – nicht nur im Kindergarten – ganz anders behandelt als bei uns – nicht als „Störenfriede“, die erstmal erwachsen werden müssen, sondern als ganz „normaler“ Teil der Gesellschaft. Diesen respektvollen Umgang mit dem Kind, den ich in Schweden kennengelernt habe, habe ich bei uns vermisst. Genau das wollte ich aber für mein Kind haben. So entstand der Gedanke an eine eigene Kita. Und nun zieht sich das als Grundhaltung durch alles, was wir tun: respektvoller Umgang, freundliches und authentisches Miteinander, mit dem Kind auf gleicher Höhe sein und auch mit den Eltern ... Alles, was die Kinder stärkt, ist erlaubt, alles andere nicht. Das war meine Gründungsidee, ein wenig sogar eine gesellschaftliche Vision. Das lebt das Team in der Kinderbetreuung, das leben die Eltern und die Kinder.

Ja, so habe ich das auch von den Videos in Erinnerung, die wir mit dir für die Plattform gedreht haben. Da kommt gut deine Motivation rüber und was dich angetrieben hat. Wie hast du die Kitagründung selbst erlebt?

Die Gründungsphase war sehr intensiv. Beim Gründen waren einfach sehr viele Themen gleichzeitig wichtig: Kreditanträge, Betriebserlaubnis, Kontakt mit der Sozialbehörde, der Bau musste fertiggestellt, die Räume eingerichtet werden, die pädagogische Herausforderung, die Notwendigkeit, die Kita am Markt zu etablieren ...Aber es war auch ein positiver Stress: Bei allem, was man angepackt hat, hat man schnell Fortschritte gesehen. Das war sehr motivierend.

In diesem Video haben wir Kati ebenfalls nach ihrem Weg zur eigenen Kita, ihre Motivation und die Vor- und Nachteile des Lebens als Unternehmerin gefragt:

Was hat dir während der Gründung geholfen?

Meine Energie – und dass ich versuche alles, was ich tue, einfach zu halten. Wenn man die Dinge zu komplex werden lässt, verliert man schnell die Lust, gerade beim Gründen. Ich gehe da sehr reduziert heran, und das macht auch eine Gründung einfacher. Wichtig war auch, dass ich das Ganze nie in Frage gestellt, immer an die Idee der Kita geglaubt habe und darin meinen Auftrag gesehen habe. Und natürlich mein voriger Job als Controllerin – ich war Komplexität gewohnt, die Aufgaben haben mir keine Angst gemacht. Ich hab einfach gemacht, mit großer Lust am Lernen.

Im nächsten Video erzählt Kati, was sie noch aus ihrer vorigen Tätigkeit mitgebracht hat, und wo sie sich weiterentwickelt hat:

Wie hast du deine ersten Kunden gefunden?

Über Mundpropaganda – die pädagogische Leitung, die ich hatte einstellen wollen, war in Hamburg sehr bekannt. Das hat für die ersten Kinder sehr geholfen, um die Eltern zu überzeugen.

Was hat sich seit der Gründung geändert?

Vor allem meine Rolle in der Einrichtung. Zwei Wochen vor dem Start stellte sich heraus, dass die geplante Leitung lieber Erwachsene coachen und weniger am Kind sein wollte. Die Arbeit mit dem Kind selbst hatte für ihn offenbar weniger Wert. Das passte mit der Kita nicht zusammen. Als er gegangen ist, war das natürlich ein großes Problem und hat die Eltern verunsichert. Aber die Entscheidung war richtig für die Kita. Und dann hab ich eine Weile alle drei Sachen gemacht: Träger, Geschäftsführung – und pädagogische Leitung.

Kati erzählt hier ausführlicher wie sie zu ihren ersten Kunden gefunden und die Herausforderungen der fehlenden pädagogischen Leitung gemeistert hat:

Wenn du zurückblickst: Was sind deine drei wichtigsten Erkenntnisse, von denen andere Gründer profitieren könnten?

Erstens: sich klar bewusst machen, „ich will das“ – und auch, was ich nicht will. Genau zu wissen, was das eigene Ziel ist, was dafür förderlich ist und was nicht. Das Zweite sind Eigenschaften, die daraus folgen: Entscheidungsfreudigkeit, Durchsetzungsfähigkeit. Machen, machen, machen. Nicht rumeiern, lieber mal einen Fehler machen. Es ist wichtig, die Dinge auch umzusetzen und seine Erfahrungen zu machen. Und das Dritte ist, immer die Finanzen im Blick behalten. Da war für mich eine ganz wichtige Erkenntnis, dass die Steuer das erste Mal nach drei Jahren „so richtig reinhaut“. Das haben viele nicht so im Blick. Sich um Gewinnausschüttung und Gehalt klare Gedanken machen. Da hilft es, sich mit anderen abzusprechen, die das selbst schon erfahren haben.

Wo du das ansprichst, frag ich doch gleich mal nach. Wenn ich mir anschaue, was du im Geschäftsmodell im Bereich zur „Kostenstruktur“ eingetragen hast, dann ahnt man schon, wie komplex das Thema im Kita-Bereich ist. Wie machst du das mit deinen Finanzen, worauf achtest du dabei?

Ganz grundsätzlich mache ich nichts, was ich nicht bezahlt bekomme, es gibt keine Quersubventionierung – schließlich hängen da auch Mitarbeiter dran. Da gehe ich dann vielleicht doch etwas anders heran, als das vielleicht Elterninitiativen tun würden. Und dann ist mir wichtig, immer zu wissen, wo das Geld bleibt. Ich setze mich alle zehn Tage hin und hänge hinter jeden Kontoauszug extra in Papierform die entsprechenden Quittungen, weil ich damit meine Liquiditätsplanung mache. In die trage ich jede Ausgabe ein, geclustert natürlich, um die Kontrolle zu behalten. Und das ganze Geld, das ausgegeben wird, geht über meinen Tisch: Bei jeder Anschaffung entscheide ich, ist das wichtig, verstehe ich, warum wir das als Kita brauchen – wenn ja, machen wir das, wenn nicht, eben nicht.

Wenn du deine eigenen Erfahrungen nimmst – worauf sollte man beim Aufbau einer Kita achten?

Das große Problem am Anfang ist die Balance zwischen Personal und Kindern. Selbst, wenn die Nachfrage groß ist, braucht der Aufbau nach einer Kitagründung Zeit, weil die Kinder nach und nach eingewöhnt werden müssen. Geld bekommst du aber nur für die Kinder, die schon in der Kita sind. Man muss also ganz genau rechnen, wie man die Betreuung hochfährt – denn eine Kraft zu viel bringt dich gerade in der Anfangsphase schnell in einen finanziellen Engpass.

Cool, das ist ein guter Tipp! Hast du noch einen?

Ja, eine andere Sache ist, dass man von vornherein darauf achten sollte, das richtige Verhältnis zwischen Krippe und Elementarbereich (also die Einrichtungen für die frühkindliche Bildung vor dem Schuleintritt) herzustellen. Ein Drittel Krippe und zwei Drittel Elementarbereich ist eine gute Aufteilung – so kann man sicherstellen, dass jedes Kind in der Krippe später auch einen Platz im Elementarbereich kriegt.

Generell: Was ist in deiner Branche wichtig und wird oft missverstanden?

Ich glaube, wichtig ist es vor allem, bei der Betreuung in der Kita vom Kind auszugehen. Meine Motivation ist, starke Kinder in die Welt zu bringen – und nicht, sie an die Bedürfnisse der Eltern anzupassen. Das größte Missverständnis ist für mich, dass Kitas für die Eltern arbeiten würden – und nicht für die Kinder.

Was meinst du damit genau?

Mir ist es wichtig, dass Eltern uns nicht als Dienstleister für sich selbst begreifen. Für uns ist das hier die Welt der Kinder, in der es eigene Regeln gibt, die auch alle Erwachsenen in der Kita respektieren müssen – und die Eltern genauso. Wer sagt, das und das müsst ihr als Kindertagesstätte leisten und ich hab damit nichts zu tun, der ist bei uns nicht richtig. Es muss die Bereitschaft gegeben sein, sich einzubringen, wenn’s ums eigene Kind geht, in einen offenen Austausch auf Augenhöhe zu kommen, wenn’s Probleme gibt, und gemeinsam aufs Kind zu schauen.

Kati spricht hier nochmal vom Nutzen ihrer Kita, und weshalb sie sich nicht als Dienstleistungsanbieterin sieht:

Das klingt nach einem hohen Anspruch, den du so ähnlich ja auch im Feld „Werte“ in deiner Geschäftsmodell-Canvas beschreibst. Erklär uns doch mal, wie du den in der Praxis in deiner Kita umsetzt. Worauf achtest du bspw. als Träger bei der Auswahl neuer Mitarbeiter bzw. Partner?

Intuitiv ist mein erster Schritt, darauf zu achten, ob der, der mit gegenüber sitzt, zu der Haltung passt, die wir haben. Ist er oder sie freundlich, authentisch, begegnet er mir auf Augenhöhe, ist das ein gleichwertiges Miteinander. Ist das jemand, der bereit ist, sich jeden Tag neu in Frage zu stellen, sich für die Kinder zu interessieren, neu zu lernen. Schaut der auf die Kinder, wie ich das tue, in der Betreuung, im Alltag. Im zweiten Schritt gucke ich dann konkreter auf vier Säulen: Wie arbeitet derjenige mit Kindern, wie mit dem Team, wie mit den Strukturen und wie mit den Eltern. Das kristallisiert sich schon im persönlichen Gespräch heraus, noch konkreter dann in einer Hospitationsrunde über zwei Tage.

Jan und Patrick

Hörempfehlung: Jan geht mit dem Geschäftsmodell-Experten Patrick Stähler im Ideencouch-Podcast die Geschäftsmodell-Canvas anhand verschiedener Beispiele durch. Was macht eigentlich ein innovatives und tragfähiges Geschäftsmodell aus? Dabei kommen die beiden unter anderem auf das Kita-Konzept von Kati zu sprechen. Wenn du mehr über Geschäftsmodell-Arbeit erfahren möchtest, solltest du dir diese Folge unbedingt anhören! 

Wo willst du selbst noch besser werden?

Im fachlichen Bereich, in allem, was die Kinderbetreuung betrifft. Ich lerne aus jeder Situation in der Kita. Ich möchte noch besser die Sprache der Kinder lernen und sprechen. Was das Visionäre angeht, da muss ich mich eher zügeln, Management fällt mir eher in den Schoß, aber das Fachliche, das ist, was mich weiter antreibt.

Beschreib uns doch mal einen Tag in deinem Leben als Unternehmerin? Was passiert, wenn du in die Kita kommst?

Meist fange ich um halb acht an, habe eine Besprechung mit meiner pädagogischen Leitung, bei einem Kaffee, um gut und fokussiert in den Tag zu kommen. Dann besteht der Tag aus Mitarbeitergesprächen, Schreibtischtätigkeiten und, leider, viel zu wenig Zeit für die Kinder. Meist verläuft der Tag in der Einrichtung ohne Pause und ich gehe viel zu spät nach Hause. Ich versuche aber, mich weiter zu disziplinieren und mir morgens Zeit für mich zu nehmen, um mich zu sortieren und Prioritäten zu setzen. Und ich versuche, mehr Pausen einzubauen, in eine vernünftige Balance zu kommen, um selbst gut unterwegs zu sein und Sicherheit zu haben – denn eigene Unsicherheit spiegelt sich schnell im Team.

Nun gründen ja in letzter Zeit viele Menschen im Bereich Kinderbetreuung, gerade in Hamburg. Was kannst du Einzelnen oder auch Elterninitiativen empfehlen, die eine Kita gründen möchten? Was ist wichtig um von der Idee überhaupt zur Gründung zu kommen?

Anfangen, machen, alles andere kommt schon. Den Mut aufbringen, das auch wirklich umzusetzen, wofür ich mich entschieden habe, und daran festhalten. Und da mit aller Energie rangehen. Ich hab anfangs die Gründung nicht an die erste Stelle gestellt, obwohl mir klar war, dass ich das machen wollte. Da hätte ich mehr Druck auf den Kessel bringen können, vor allem bei der Suche nach einer geeigneten Immobilie, mit der im Kita-Bereich alles steht und fällt. Der Fokus hätte noch mehr auf der Gründung sein müssen. Das ist aber erst gekommen, als ich die Räume hatte.

Was hast du persönlich durch deine Gründung gewonnen? Würdest du es wieder tun?

Ich tue etwas, hinter dem ich hundertprozentig stehe, das wird mir immer wieder klar. Das ist einfach mein persönlicher Auftrag. Was ich auch gewonnen habe, ist, dass ich hier mitgestalten kann. Das ist ein tolle Sache. Natürlich würde ich das wieder tun, na klar!

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Abschließend: Du hast ja schon einige digitale Tools von uns genutzt – was wünscht du dir für die Gründerplattform, damit Gründung und Unternehmerleben einfacher wird?

Euer neuer Ansatz, mit der Gründerplattform einen digitalen Ort zu schaffen, an dem ich an meiner Gründung arbeite, ist wirklich gut. Das Suchen im Internet und die Arbeit mit unterschiedlichen, häufig kostenlosen, aber dann auch schlechten Tools war damals ein Zeitgrab für mich. Darüber dann direkt eine Hausbank zu finden, wie ihr das vorhabt, hätte mir auch geholfen. Meine darüber hinaus gehenden Ideen sind ziemlich wild: Einen Businessplan, der als Controllinginstrument weiterlebt und sich über Online Banking aktualisiert. Hands on-Hilfen bei der Personalakquise. Das wären meine Wünsche, um mein Unternehmerleben zu vereinfachen. Vielleicht könntet ihr in die Richtung noch was tun.

Vielen Dank für das Gespräch, Kati!

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Weitere Praxistipps von Kati

 „Es werden wirklich viele Kitas gegründet. Der Bedarf ist ja auch riesig. Auch über die Gründerplattform bekomme ich so viele Anfragen – das kann ich gar nicht abarbeiten. Deswegen habe ich die wichtigsten Fragen hier beantwortet und biete auch Seminare dazu an – meine E-Mail dazu findet ihr in den FAQs.“

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bhp