Die Startup-Szene hat ein Problem: Um mit einer innovativen Idee durchzustarten, braucht man kompetente Fachkräfte. Doch die sind schwer zu finden: Laut einer Befragung des Digitalverbands Bitcom klagt jedes zweite Startup über unbesetzte Stellen.
Das Recruiting bereitet vielen Gründer*innen Kopfschmerzen: Im Kampf um die besten Talente konkurrieren sie mit etablierten Unternehmen – ein frustrierendes Unterfangen, schließlich haben die Big Player nicht nur einen exzellenten Ruf, sondern auch das nötige Kleingeld.
Doch es geht auch anders.
Wir zeigen dir, wie du dein Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber positionierst – auch mit einem knappen Budget.
Gründer*innen müssen nicht mit den Marktführenden konkurrieren
Spitzengehälter, Weihnachtsgeld und Dienstwagen: Etablierte Unternehmen haben viel zu bieten. Wie soll man da bloß mithalten?
Die gute Nachricht lautet: Um fähige Mitarbeiter*innen zu finden, müssen sich Gründer*innen gar nicht mit Großunternehmen anlegen. Die Arbeit in einem Startup unterscheidet sich grundlegend von einem regulären Nine-to-five-Job und erfordert andere Kompetenzen: Statt guter Zeugnisse und Branchenwissen sind Flexibilität, schnelles Lernen und eine “Hands-on”-Mentalität gefragt. Wer sich an vorgegebenen Abläufen und Strukturen festhalten will, ist in einem Startup fehl am Platz.
Daher macht es oftmals wenig Sinn im gleichen Talentpool zu fischen wie KMU oder Konzerne. Stattdessen sollten sich Gründer*innen auf die eigenen Stärken konzentrieren, die oftmals ganz woanders liegen.
Doch was bedeutet das konkret? Um das herauszufinden, schauen wir uns zunächst einmal an, was ein Unternehmen überhaupt attraktiv macht und mit welchen Vorteilen deine Firma punkten kann.
Das wünschen sich potentielle Arbeitnehmer*innen
Im Rahmen der aktuellen Studie "Small, but attractive: the effect of employer branding and legitimacy on startup attractiveness" wurden Absolvent*innen befragt, welche Eigenschaften sie sich von künftigen Arbeitgeber*innen wünschen.
Diese Faktoren waren den Befragten besonders wichtig:
- Positives Arbeitsklima im Team
- Entscheidungsfreiheit
- Flexibilität am Arbeitsplatz
- Aufstiegsmöglichkeiten
- Steile Lernkurven
- Flache Hierarchien
- Die Möglichkeit, unternehmerische Fähigkeiten zu entwickeln
Die Kultur macht den Unterschied
Wie du siehst, kommt es nicht immer auf das Geld an. Auch weniger sichtbare Faktoren sind entscheidend, um Mitarbeiter*innen zu finden und zu binden.
Wer sich als attraktives Unternehmen positionieren will, sollte seine Unternehmenskultur ernst nehmen. Denn der Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke beginnt immer intern. Fühlen sich die Mitarbeiter*innen im eigenen Unternehmen wohl, dann spricht sich dies sehr schnell herum.
Und wer bei Startup-Kultur an Obstkörbe, Tischkicker oder sonstigen Schnickschnack denkt, liegt falsch. Denn gerade Startups haben als Alternative zu traditionellen Unternehmensstrukturen viel zu bieten. Sie können ihren Mitarbeiter*innen in vielen Dingen entgegenkommen, die in Konzernen und KMU nicht umsetzbar sind.
Damit punkten Startups bei Bewerber*innen
Die Mission: Mehr als nur eine Floskel
Viele Startups machen sich ihren Status als Disruptoren und Innovatoren zunutze.
Auch du kannst gezielt damit werben! Mit einer Mission, die über das eigentliche Produkt hinausgeht, ziehst du Begeisterte und Gleichgesinnte an, die zum Erfolg des Startups beitragen wollen. Das funktioniert aber nur, wenn die Mission tatsächlich gelebt wird und nicht lediglich eine Floskel darstellt.
Deshalb solltest du dir folgende Fragen stellen:
- Welche Änderung willst du mit deinem Unternehmen bewirken?
- Welche Möglichkeiten haben zukünftige Bewerber*innen, hierbei mitzuarbeiten und zu gestalten?
- Wie grenzt du dich von den Marktführern ab?
Die folgenden Absätze werden dir kurze Anregungen geben.
Win-win-Situation durch gemeinsame Ziele
Seien wir ehrlich: In DAX-Unternehmen ist es wahrscheinlich nicht von größerem Interesse, was du persönlich im Leben erreichen willst. In Startups ist es jedoch möglich, persönliche Ziele mit den Unternehmenszielen zu vereinen. Kann sich ein Kandidat mit der Mission deines Startups identifizieren, ist das ein Pluspunkt für dich als Arbeitgeber*in.
Jemand aus deinem Kandidatenpool will sich einen Ruf als Influencer*in erarbeiten und dafür einen eigenen Podcast oder Blog starten? Kein Problem! Denn davon würde auch das Startup profitieren.
Unser Tipp: Erkundige dich im Bewerbungsprozess immer nach den persönlichen Zielen der Kandidat*innen. Gibt es eine Überschneidung mit den Zielen deines Unternehmens? Wenn ja: Wunderbar, denn dann kannst du gezielt eine Win-win-Situation schaffen, indem du neue Teammitglieder dabei unterstützt. So gewinnst du motivierte und loyale Mitarbeiter*innen.
Der Klassiker: Flexible Arbeitszeiten
In den meisten Startups sind Homeoffice und flexible Arbeitszeiten üblicher als in etablierten Unternehmen. Oftmals ist es sogar möglich, komplett ortsungebunden zu arbeiten.
Die Anpassung an die persönlichen Lebensumstände ist eher möglich, als bei einem KMU oder Konzern. Daher unser Tipp: Komme potenziellen Mitarbeiter*innen bei den Arbeitszeiten entgegen!
Individuelle Gestaltung der eigenen Karriere
Die Karrierewege sind bei Konzernen häufig fest vorgegeben. Aufgabenbereich und Prozesse sind bereits klar definiert, daran können einzelne Mitarbeiter*innen nur selten etwas ändern.
In einem Startup sind derartige Strukturen oft noch gar nicht vorhanden. Wer neu ins Team kommt, hat also die Freiheit, das eigene Ressort aufzubauen, eigene Prozesse zu definieren und die benötigten Tools auszuwählen – ohne die ganz großen bürokratischen Hürden. Diese Chance kannst du im Gespräch mit Kandidat*innen herausstellen und fragen: Was willst du erreichen? Bei uns geht das schneller!
Stärkerer Zusammenhalt
In Startups gibt es kein “kleines Rädchen im Getriebe”. Jedes einzelne Teammitglied hat Einfluss auf den Erfolg (oder Misserfolg) des Unternehmens. Die Arbeit am gemeinsamen Ziel schweißt zusammen: Jeder ist in mehrere Bereiche eingebunden und hilft mit, wo er kann.
Ein derartiger Zusammenhalt macht dein Startup attraktiv für Bewerber*innen. Mit unklarem oder breitem Interessensfokus in traditionellen Unternehmen kennt man vor allem die eigene Abteilung.
Stelle das abteilungsübergeordnete Arbeiten als Chance der Orientierung und der Vielseitigkeit heraus.
Flexibler Auswahlprozess
Besonders in der Frühphase braucht dein Startup ein Team, das sich vom kreativen Chaos nicht abschrecken lässt, sondern angespornt fühlt. Daher bringen gute Startup-Mitarbeiter*innen etwas andere Fähigkeiten mit, als üblicherweise erwartet. Statt guten Noten und lückenlosen Lebensläufen zählen Motivation und Einsatzbereitschaft.
Unser Tipp: Sei offen für Initiativbewerbungen und Quereinsteiger*innen und kommuniziere das deutlich!
Nun gilt es, die Vorteile auch erfolgreich an potentielle Interessent*innen zu kommunizieren. Über welche Kanäle gelingt das am besten?
So kommunizierst du deine Werte erfolgreich (und relativ günstig)
Die eigene Webpräsenz
Die eigene Website ist ein Faktor, der im Recruiting oftmals unterschätzt wird. Zu Unrecht, denn deine Visitenkarte im Web bietet den größten Spielraum für ein wirksames Employer Branding (zum Beispiel mit einem wohl formulierten Mission Statement oder Erfahrungsberichten deiner Mitarbeiter*innen). Viele Menschen wirst du gerade zu Beginn nicht erreichen, dafür aber die richtigen – diejenigen, die deine Firma bereits kennen und Interesse zeigen.
Gründerportale und Soziale Medien
Klassische Jobportale sind für Gründer*innen nicht immer die beste Wahl:
Zum einen sind sie teuer, zum anderen ziehen sie oftmals nicht die passenden Bewerber*innen an.
Jobportale, die sich auf die Gründerszene spezialisieren, können Abhilfe schaffen:
Hier platzierst du Stellenanzeigen um einiges günstiger oder sogar kostenlos.
Unsere Top 5 der Startup-Portale für den deutschsprachigen Raum:
- Startupsucht.com
- Berlin Startup Jobs
- Gründerszene Jobbörse
- Goaldies
- Cologne.io
Soziale Medien, besonders ein eigener Blog, eignen sich bestens, um die Werte deines Unternehmens zu kommunizieren und einen ersten Eindruck über den Arbeitsalltag zu geben. Damit dienen sie als mächtiges und kostengünstiges PR-Tool.
Zeige dein Unternehmen von seiner besten Seite, doch verkaufe nur das, was du auch wirklich bieten kannst. Feiere dein Team und die gemeinsamen Erfolge. Nur so bekommen andere auch Lust, daran teilzuhaben.
Das geht zum Beispiel durch:
- Blogartikel oder Tweets über den Arbeitsalltag
- Steckbriefe der einzelnen Teammitglieder im Firmenblog
- Insta-Stories über Messebesuche, Preisverleihungen und andere Events
- Organisation eigener Events
Messen und Events
Auch die “analogen sozialen Netzwerke” sollten nicht vernachlässigt werden:
Messen und Events eignen sich bestens, um mit potentiellen Bewerber*innen persönlich in Kontakt zu treten. Zudem bieten die meisten Veranstalter Rabatte für Gründer*innen an.
Halte Ausschau nach Messen, die sich eigens an die Gründerszene richten. Hier ist es einfacher, Kandidat*innen zu finden, die sich für Startups interessieren.
Zu den bekanntesten Messen in Deutschland zählen:
- AUFSCHWUNG in Frankfurt
- Bits & Pretzels in München
- deGUT in Berlin
- Ignition in Mainz
- IHK Existenz in München und Oberbayern
- Startup Boost in München
- StartupCon in Köln
- Startupnight in Berlin
Sie bringen nicht nur Gründer*innen und Investierende zusammen, sondern etablieren deine Firma als Teil der Szene – und machen sie damit für potentielle Bewerber*innen sichtbar.
Optional: Die Netzwerke deiner Investierenden
Dieser Tipp richtet sich an Gründer*innen, die bereits Investierende für ihre Idee gefunden haben: Wer sie an seiner Seite hat, profitiert nicht nur von der finanziellen Unterstützung, sondern auch vom Zugang zu ihrem Netzwerk.
Investierende helfen dir, dein Startup als seriöses Unternehmen mit gutem Ruf zu etablieren. Zum Beispiel durch ihre eigenen PR-Kanäle oder die Vernetzung mit Influencer*innen und Mentor*innen.
Wie du siehst, kommt es nicht immer auf das Geld an. Stelle die Vorzüge deines Unternehmens klar heraus und kommuniziere sie deutlich! Dann stehen die Chancen gut, die passenden Bewerber*innen für dein Team an Land zu ziehen.
Tatjana Galinker schrieb jahrelang FAQs und technische Handbücher, bis sie den Sprung in die Startup-Szene wagte. Nun ist sie für das Tech-Unternehmen Userlane tätig und erlebt die hier beschriebene Personalkultur aus erster Hand. In einem Jahr konnte das Userlane-Team von 28 auf 50 Personen wachsen, nicht zuletzt wegen der guten Mundpropaganda.