Du kannst dich auch entscheiden, einem bestehenden Betrieb als Nachfolger*in deinen Stempel aufzudrücken. Die Unternehmensnachfolge ist eine verbreitete Form der Existenzgründung – auch einige der Beispielunternehmer*innen auf der Gründerplattform sind diesen Weg gegangen. Es gibt zwei verbreitete Formen der Unternehmensnachfolge: den Unternehmenskauf (durch externe oder Mitarbeiter) oder die familieninterne Nachfolge. Letzterer wollen wir uns heute widmen und daraus Lehren für die Unternehmensnachfolge im Allgemeinen ziehen.
Familieninterne Unternehmensnachfolge
Die Unternehmensnachfolge wird in mehr als jedem zweiten Fall noch immer im Familienkreis geregelt. Wir haben uns mit zwei Unternehmerinnen unterhalten, die den Generationswechsel gerade vollziehen oder vor Kurzem vollzogen haben: Vanessa Niemann von MDS Messebau und Sonja Fritschi von SO:NJU. Vanessa hat uns sogar bereits ein Videointerview gegeben und ihr Geschäftsmodell zur Verfügung gestellt.
Das Interview mit Vanessa von MDS Messebau
Nun waren sie so freundlich, von ihren Erfahrungen mit der Unternehmensnachfolge zu berichten.
Den Betrieb, den Vanessa einmal führen wird, hat ihr Großvater gegründet und später an ihren Vater übergeben. Sie selbst ist vor sieben Jahren ins Unternehmen eingetreten. Das war nicht unbedingt absehbar – als Kind wollte sie „in keinem Fall" die Nachfolge ihrer Eltern antreten. Später änderte sie jedoch ihre Meinung. Während des Studiums nutzte sie die Semesterferien, um in verschiedenen Bereichen des Betriebs mitzuarbeiten und ihn genauer kennenzulernen. Inzwischen ist sie insbesondere für den Vertrieb verantwortlich und für die Unternehmensnachfolge bereit.
Im Gegensatz zu Vanessa wusste Sonja „schon als Kind, dass ich die Firma übernehmen möchte". Nach ihrem Studium arbeitete sie 2005 ein Jahr in der Beratungsgesellschaft ihres Vaters mit. Doch beide entschieden gemeinsam, „dass ich erst noch Erfahrungen als Festangestellte in einem Konzern sammle, um mehr über Organisationen zu verstehen und deren Perspektive einnehmen zu können.“ Diese Zeit war für sie wichtig, um sich auf die Unternehmensnachfolge vorbereiten zu können. 2012 stieg sie schließlich als Partnerin ein und übernahm 2015 die Geschäftsführung. Der Vater stand ihr noch etwa ein Jahr als Prokurist zur Seite. Heute ist sie allein verantwortlich.
Auf die Unternehmensnachfolge vorbereiten
Es gibt also verschiedene Wege, eine Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie anzugehen. Allgemein aber gilt: Der Generationswechsel will gut überlegt und vorbereitet sein, sowohl inhaltlich wie persönlich. So hat sich z.B. Vanessa aus heutiger Sicht „damals zu wenig Gedanken gemacht, was die Übergabe für mein Leben insgesamt bedeutet.“ Sie stellt fest: „Wäre es um einen Unternehmenskauf gegangen, hätte ich mir das viel gründlicher überlegt – und das sollte man auch bei der familieninternen Nachfolge tun." Ihrer Wahrnehmung nach geschieht dies jedoch insgesamt zu selten. Sie empfiehlt potenziellen Nachfolger*innen bei Familienunternehmen, sich vor der Entscheidung über die eigenen Wünsche und Ziele genau klar zu werden: „Was will ich eigentlich machen, was ist mein Lebensplan – und passt das mit der Nachfolge zusammen?“ Dazu gehört die Frage, ob man sich langfristig an den Standort des Betriebs binden will, ebenso wie diejenige, was das für die Familie und die eigene Familienplanung bedeutet. Und natürlich auch Fragen, die das Geschäftsfeld als solches betreffen: „Ist die Branche etwas für mich? Und wird sie die Zeit meines Arbeitslebens überdauern?“
Sonjas Aussagen ergänzen diese Überlegungen um den Fokus auf die Arbeit im engeren Sinne: Zu ihrer Vorbereitung auf die Unternehmensnachfolge gehörten neben der Sammlung von Erfahrung in anderen Unternehmen weitere Ausbildungen und Qualifikationen, z.B. im Bereich Projektleitung und Coaching. Als sie schließlich bei ihrem Vater einstieg, geschah dies „mit einem Vorlauf von mehr als fünf Jahren". Trotzdem stellte sie fest: „Management und Unternehmensführung sind noch einmal etwas ganz Anderes – darin Sicherheit zu gewinnen, hat wiederum ein paar Jahre gedauert".
Vanessa bestätigt dies. Als größte Herausforderung sieht sie nicht unbedingt die Aneignung des spezifischen Fachwissens, sondern die „persönliche Entwicklung: Wie führe ich, wie trete ich selbstsicher auf?" Sie empfiehlt allen, solche Aspekte frühzeitig in die Planung der Übergabe miteinzubeziehen, z.B. durch entsprechende Coachings.
Das Unternehmen zu deinem eigenen machen
Wenn du dann die Unternehmensnachfolge angetreten hast, ist es dein Job, das Unternehmen zu deinem eigenen zu machen. Das passiert weder sofort noch automatisch. Wie Sonja berichtet, dauerte es drei Jahre, bis sie sagen konnte: „Jetzt ist das wirklich meins.“ Dann erfolgte die endgültige Betriebsübergabe und sie begann, das Unternehmen nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Dazu gehörte auch, das Geschäftsmodell den Trends in der Beratungsbranche anzupassen. Sonja änderte das Profil der Firma, die zuvor einen generalistischen, also übergreifenden Ansatz verfolgt hatte, und spezialisierte sich auf einen bestimmten Bereich. Das hatte auch personell tiefgreifende Folgen: „Ich wollte ein homogeneres Team haben, das zu der neuen Ausrichtung passte. Heute ist deshalb von der alten Mannschaft niemand mehr dabei." Sonja ging mit ihren Ideen gegenüber ihrem Vater und den Mitarbeiter*innen jedoch von Anfang an sehr transparent um und bewirkte so auf beiden Seiten das notwendige Verständnis.
Auch Vanessa betont, wie wichtig es ist, mit allen Beteiligten „offene Kommunikation zu pflegen“, wenn man als Nachfolger*in in ein Unternehmen eintritt: „Welche Rolle will ich im Unternehmen einnehmen und wie sollte sie sich in welchen Zeitabschnitten verändern?" Indem man darüber spreche, "was man gerne möchte", könne man die Spannungen vermeiden bzw. ausräumen, zu denen es auch bei familieninternen Nachfolgen kommen kann. Diese Fragen im offenen Gespräch zu klären, hält sie auch deshalb für wichtig, um diesen Plan innerhalb des Unternehmens kommunizieren zu können. Das sei notwendig, um „Klarheit und Sicherheit bei den Mitarbeiter*innen zu schaffen“.
Vanessa hat das Familienunternehmen mittlerweile verlassen, um sich anderen Aufgaben zu widmen. Außerdem unterstützt sie das Team der Gründerplattform und gibt ihr Wissen und ihre Erfahrungen an Gründer*innen weiter.
Fazit für Nachfolger*innen
Wer eine Unternehmensnachfolge anstrebt, sollte den Prozess also bewusst planen und vorbereiten. Denn du übernimmst nicht einfach ein Unternehmen und führst es dann fort. Du musst es als Unternehmer*in so weiterentwickeln oder gar neu erfinden, dass es zu dir passt. Sonja bringt dies auf den Punkt: „Am Anfang arbeitet man sich an dem Bild ab, das man davon hat, wie ein Unternehmer zu sein hat. Jetzt bin ich einfach ich selbst – und das Unternehmen ist, wie ich bin. Das ist das wichtigste. Das Unternehmen muss die eigene Persönlichkeit widerspiegeln.“ Um diese Leistung vollbringen zu können, gilt für sie und Vanessa dasselbe wie bei jeder anderen Gründung: „Man muss für das Thema des Unternehmens und das Geschäftsmodell brennen – wenn man da nur halbherzig dabei ist und sich nicht damit identifizieren kann, dann klappt das nicht."
Wenn du das aber tust, dann bietet dir die Unternehmensnachfolge eine gute Perspektive zur Existenzgründung. Denn in den nächsten fünf Jahren sollen etwa 500.000 Unternehmen an Nachfolger*innen übergeben werden. Der Generationswechsel im Mittelstand ist im vollen Gange. Nach Studien der KfW und des DIHK wird die Zahl der Existenzgründer*innen, die sich für eine Unternehmensnachfolge interessieren, den Bedarf der nächsten Jahre nicht decken können. Längst nicht für jede Betriebsübergabe stehen Familienmitglieder bereit.
Einen ersten Eindruck von den Möglichkeiten, die sich dir für einen Unternehmenskauf bieten, kannst du auf den Seiten der Unternehmensbörse nexxt-change.org gewinnen. Dort kannst du dich nach Absprache mit deiner IHK oder Handwerkskammer auch selbst als Nachfolger*in anbieten.
Typische Planungsthemen in der Unternehmensnachfolge
Was du jedoch nicht vergessen darfst: Auch eine Nachfolge ist eine Form der Existenzgründung. Zwar stellen sich beim Thema Unternehmensnachfolge die Fragen etwas anders als bei einer Neugründung, doch um eine genaue Analyse kommst du auch hier nicht herum: Wie steht das Unternehmen am Markt da? Wie ist der Ruf, wie die Kunden- bzw. Lieferantenstruktur? Bleiben die wichtigen Mitarbeiter*innen? Ist der Verkaufspreis realistisch? Welcher Investitionsbedarf besteht darüber hinaus? Wie muss die Finanzierung aussehen und welche Fördermittel könntest du nutzen?
Und natürlich musst du in die Zukunft blicken: In welche Richtung kannst du das Geschäftsmodell weiterentwickeln, was muss verändert werden? Mit diesen Fragen solltest du dich als Nachfolger*in ebenso intensiv beschäftigen, wie es bei der Planung jeder anderen Form der Gründung notwendig ist. Dann kannst du auch ein Unternehmen, das jemand Anderes aufgebaut hat, zu deinem eigenen machen.