Das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) über die Wirkung von Social Enterprises und wie Gründer*innen ihre Wirkung von Beginn an planen können.
Die gesellschaftliche Wirkung von Sozialunternehmen
In Zeiten von Klimawandel und gesellschaftlichen Herausforderungen, gerade angesichts der Corona-Krise, eröffnen Innovationen und Unternehmertum neue Möglichkeiten, ökologische und soziale Probleme zu lösen. Eine Option, gesellschaftliche Lösungsansätze unternehmerisch umzusetzen, ist das Social Entrepreneurship – oder auch Sozialunternehmertum.
Gesellschaftlichen Mehrwert zu leisten, ist für Social Enterprises ein identitätsstiftendes Merkmal. Daher wird dem gesellschaftlichen Mehrwert im Social Entrepreneurship entsprechend viel Bedeutung beigemessen. Das heißt, wenn du als Social Entrepreneur*in gründest, sollte der gesellschaftliche Mehrwert in dein Geschäftsmodell mitaufgenommen werden und im besten Falle auch gemessen werden. Alle diese Aspekte um den gesellschaftlichen Mehrwert in Social Enterprises sammeln sich um den Begriff Wirkung oder auch Impact.
Du gründest gerade ein Unternehmen und interessierst dich für eine grüne, faire, nachhaltige oder soziale Umsetzung oder Ausrichtung? Hier erfährst du, dass die Wirkung von Social Enterprises sich von klassischen Unternehmen unterscheidet und welche Rolle die gesellschaftliche Wirkung in Social Enterprises einnimmt.
Die Rolle der Wirkung in Social Enterprises
Tatsächlich ist ein Hauptgrund für die Gründung eines Social Enterprises, das Bedürfnis ökologische oder soziale Herausforderungen in der Gesellschaft zu lösen. Viele Social Entrepreneurs haben entsprechende Erfahrungen gemacht und möchten spezifischen, benachteiligten Zielgruppen mit ihrer Unternehmung helfen, vorhandene Lücken im System zu schließen oder sich generell für etwas Positives einzusetzen. Vielleicht ist eine davon auch deine Motivation? Leg los und schreib deine Geschäftsidee auf.
Egal welche dieser Motivationen zugrunde liegt, der gesellschaftliche Aspekt der Gründung kann zu einem sinnstiftenden Element für Gründer*innen und ihr Team werden.
Die Integration der gesellschaftlichen Wirkung in deine Social Enterprise ist folglich zentraler Bestandteil des Social-Entrepreneurship-Konzepts. Im Unterschied zu klassischen Unternehmen ist die Wirkung in einem Social Enterprise daher dem Gewinn übergeordnet, d.h. der Gewinn ist eher ein Mittel zum Zweck, anstatt der Zweck selbst. Entsprechend ist die Wirkung der Organisation bereits bei der Erstellung des Geschäftsmodells von Relevanz.
Häufig unterscheidet man zwischen Geschäftsmodell und Wirkungsmodell, wobei diese beiden in der Regel miteinander interagieren. Im Geschäftsmodell zeigst du auf, wer die Zielgruppe deines Unternehmens ist und was dein Unternehmen den Kunden für einen Mehrwert bietet. Im Falle eines Social Enterprises gibt es zudem Begünstigte, die von deiner Organisation eine Wirkung erhalten, die ebenfalls einen Mehrwert bietet. Dies wird durch das Wirkungsmodell entsprechend dargestellt.
An dieser Stelle zwei Beispiele zur Veranschaulichung:
- Quartiermeister: Das Social Enterprise Quartiermeister produziert und verkauft Bier und spendet 10ct pro verkauftem Liter an soziale Projekte in der Nachbarschaft. Das Geschäftsmodell von Quartiermeister besteht darin, dass die Konsumenten des Bieres das Bier kaufen, also Geld ausgeben und somit die Kunden von Quartiermeister sind. Die Begünstigten von Quartiermeister bestehen aus den Personen, die durch das an soziale Projekte gespendete Geld profitieren. Der Mehrwert für die Kunden ist hier offensichtlich der Genuss des Bieres und das Gefühl, etwas für die sozialen Projekte beigetragen zu haben. Der Mehrwert für die Begünstigten ist die direkte Hilfe durch die sozialen Projekte.
- Afb social & green IT: Das Social Enterprise Afb social & green IT verkauft mit Hilfe der Arbeitskraft von Menschen mit und ohne Behinderung gebrauchte IT-Geräte, wie z.B. Laptops. In diesem Geschäftsmodell zahlen die Konsumenten Geld für die technischen Geräte, die sie kaufen. Der Mehrwert ist dementsprechend die Nutzung des Gerätes und die Gewissheit, ein soziales und ökologisches Unternehmen zu unterstützen. Die Begünstigten von Afb sind zum einen Menschen mit Behinderung, denen das Unternehmen die Möglichkeit bietet, einem geregelten Job nachzukommen. Zum anderen ist auch die Umwelt ein Wirkungsempfänger, da das Unternehmen durch die Weitervermarktung gebrauchter Geräte aktiv Ressourcen schont und die Umwelt auf diese Weise schützt.
Diese Kombination von Geschäfts- und Wirkungsmodell bedeutet, dass Social Enterprises in der Regel zwei verschiedene Zielgruppen adressieren: die Kunden und die Begünstigten.
Für beide Zielgruppen sollten also Angebote entwickelt werden, die die jeweilige Zielgruppe auch nachfragt. Das heißt auf der einen Seite z.B. ein entsprechendes Produkt, wie Bier oder IT-Geräte, dass die Kunden kaufen wollen - denn nur so kannst du deine Organisation finanziell nachhaltig gestalten. Aber auch bei der Zielgruppe der Begünstigten auf der anderen Seite muss eine entsprechende Nachfrage, wie z.B. nach Unterstützung durch soziale Projekte oder nach Arbeitsplätzen, gewährleistet sein. Bietest du eine soziale Hilfestellung für deine Begünstigten an, die diese völlig uninteressant finden und daher nicht abrufen, so kann dein Wirkungsmodell nicht funktionieren und keine Wirkung entstehen.
Daher ist es sowohl für die Gruppe der Kunden als auch für die Gruppe der Begünstigten wichtig, dass du deine Zielgruppen kennst und weißt, an welcher Stelle die jeweiligen Bedürfnisse und Herausforderungen liegen.
Betrachtet man die Finanzierungsstruktur der Geschäftsmodelle genauer, läuft es in vielen Fällen darauf hinaus, dass den Kunden, also den Geldgebern, ein Mehrwert geboten werden muss, der die Wirkung für die Begünstigten finanziert. In Startups, die grüne Produkte anbieten, zahlen Kunden beispielsweise gelegentlich höhere Preise für ihre Produkte, um dem Wirkungsempfänger, der Umwelt, eine positive Wirkung zukommen zu lassen. Andere Geschäfts- und Wirkungsmodelle finanzieren sich über Spenden oder ehrenamtliches Engagement. Auch hier muss für die Geldgeber (Spender und Förderer) und Sachspender klar sein, warum es sich lohnt, Geld und Zeit zu investieren. Ein gutes Argument hierfür kann beispielsweise ein überzeugendes Wirkungsmodell darstellen.
Die zusätzliche Integration des Wirkungsmodells in das Geschäftsmodell bedeutet häufig eine höhere Komplexität im Vergleich zu klassischen Geschäftsmodellen. Gleichzeitig erlaubt sie die Finanzierung von gesellschaftlichen Angeboten und Mehrwerten, die sonst oft nicht abgedeckt sind.
Im Unterschied zu klassischen Unternehmen ist die Wirkung in einem Social Enterprise dem Gewinn übergeordnet.
Dein Weg zum Social Enterprise
Wir nehmen dich mit unserem interaktiven Onlineseminar bei der Gründung deines Social Enterprises an die Hand – von der Geschäftsidee über das Wirkungs- und Geschäftsmodell und den Businessplan bis zu der Finanzierung deines Traums.
Webinar: Wie du mit deinem Unternehmen gesellschaftliche Probleme löst
Michael Wunsch vom Social Entrepreneuership Netzwerk Deutschland (SEND e.V.) berät Gründer*innen, die ein Social Enterprise gründen möchten. Im Webinar berichtet er von seinen Erfahrungen aus der Gründungsberatung und gibt hilfreiche Tipps. Mit an Bord ist außerdem der Gründer Manouchehr Shamsrizi von retrobrain, der über seine Gründung berichtet und seine Erfahrungswerte teilt.
Wirkungsmodell - Was bestimmt die Wirkung meiner Organisation?
So unterschiedlich jedes Unternehmung ist, so unterschiedlich können auch die Wirkungsweisen der Organisationen sein. Diese hängen unter anderem von der Zielgruppe der Begünstigten ab, für die sich deine Organisation engagiert. Eine Organisation kann sich für (benachteiligte) Personen jeglicher Art (z.B. Jugendliche wie bei Futurepreneur e.V. oder Geflüchtete wie bei Social Bee), aber auch für Umweltaspekte oder gesellschaftliche Veränderungen einsetzen. Diese Gruppen haben unterschiedliche Ansprüche und Herausforderungen, die in der Wirkungsweise der Organisation berücksichtigt werden müssen.
Gleichzeitig spielt auch dein Wirkungsziel eine wesentliche Rolle. Was möchte deine Organisation bei den Wirkungsempfängern erreichen? Welche Wirkung soll entfaltet werden? Häufig wird die gesellschaftliche Wirkung in den Bereichen der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen angegeben. Diese sind z.B.: Keine Armut, Geschlechtergleichheit und Maßnahmen zum Klimaschutz. Eine Auflistung aller Ziele siehst du in der Grafik oder auf United Nations.
Diese Struktur zeigt den Wirkungsbereich an, ähnlich einer klassischen Brancheneinteilung, wobei oft mehrere Bereiche passend sind. Eine Organisation, die Schülern beibringen möchte, sich gesund zu ernähren, deckt beispielsweise die SDGs 3. Gesundheit und Wohlergehen und 4. Hochwertige Bildung ab.
Kennst du dein Wirkungsziel, deine Begünstigten und dein Wirkungsmodell, ist es sinnvoll, dir zu überlegen, wie du deine Wirkung langfristig sicherstellen möchtest. Dabei ist die Analyse der eigenen Wirkung ein notwendiger Schritt. Mit den Ergebnissen findest du heraus, ob du dein Wirkungsziel erreicht hast oder ob das Wirkungsmodell nachgebessert werden muss.
Wirkungstreppe – Planung und Analyse der Wirkungsziele
Der Deutsche Social Entrepreneurship Monitor 2019 zeigt, dass 35 Prozent der teilnehmenden Social Entrepreneurs für ihre Organisation bereits Wirkungsziele und eine Wirkungslogik festgelegt haben und regelmäßig analysieren, ob sie ihre eigenen Wirkungsziele erreicht haben. Ein Großteil der anderen Teilnehmer plant noch die entsprechende Umsetzung, insbesondere der Wirkungsanalyse, was aufgrund der meist sehr jungen Organisationen wenig überrascht.
Prinzipiell gibt es verschiedene Herangehensweisen, die eigene Wirkung zu messen und zu evaluieren. Eine Variante ist, deine Wirkung mit Hilfe der Wirkungstreppe von Phineo zunächst zu planen und anschließend zu analysieren. Die Wirkungstreppe zeigt die verschiedenen Stufen innerhalb deiner Aktivitäten auf, die erreicht werden können, um eine entsprechende Wirkung zu erlangen.
Besteht dein Ziel z.B. darin, Jugendliche an gesunde Ernährung heranzuführen, gibt es verschiedene Stufen, um dorthin zu gelangen.
- Grundsätzlich müssen die geplanten Aktivitäten, z.B. Kochen mit den Jugendlichen, erstmal stattfinden.
- Dann müssen die Jugendlichen tatsächlich auch von den Kochkursen erfahren und
- an den Kochkursen teilnehmen
Sind diese drei Aspekte gegeben, produziert deine Organisation einen Output (Jugendliche nehmen an Kochkursen teil), der erstmal noch keine Wirkung per se beinhaltet aber eine Voraussetzung für diese darstellt. Mit Hilfe dieses Outputs willst du die folgenden Schritte der Wirkungstreppe erzielen, um einen sogenannten Outcome, also eine Wirkung, direkt bei der Zielgruppe zu erreichen:
- Die Jugendlichen lernen tatsächlich, wie man sich gesund ernährt
- Die Jugendlichen wenden dieses Wissen selbst an, z.B. zu Hause
- Die Jugendlichen leben gesünder
Die oberste Stufe der Wirkungstreppe, die dann eine Veränderung auf der gesellschaftlichen Ebene darstellt und Impact genannt wird, resultiert im besten Falle daraus. Im Beispiel der Jugendlichen würde das bedeuten, dass nicht nur die Jugendlichen, die an dem Kochkurs teilnehmen sich gesünder ernähren, sondern die Jugendlichen in der Gesellschaft insgesamt. Dies ist in der Regel zwar schwer zu messen, aber trotzdem ein wichtiger Anhaltspunkt deiner Auswirkung auf die Gesellschaft.
Hast du deine Wirkung entsprechend geplant, ist es hilfreich für die entsprechenden Ebenen auch Analysen vorzunehmen. Hierzu kann eine Wirkungsmessung auf den verschiedenen Stufen dienen. Beispielsweise könntest du erheben, wie viele Jugendliche an deinen Kursen teilnehmen (Stufe 3) und wie viele Jugendliche sich generell - unabhängig von deinen Kursen - gesund ernähren (Stufe 7). Auf diese Weise kannst du nachvollziehen, welche Stufen du bereits erreicht hast und an welcher Stelle du dein Wirkungsmodell nochmal verbessern kannst.
In der Regel führt eine Wirkungsanalyse also dazu, dass deine Organisation ihre eigenen Wirkungskennzahlen entwickelt. Diese können dann ins eigene Controlling eingebunden und/oder zur Kommunikation nach außen genutzt werden.
Fazit
Die gesellschaftliche Wirkung ist ein zentraler Bestandteil eines Social Enterprises. Daher sollte sie bereits während der Gründung als Wirkungsmodell in das Geschäftsmodell integriert werden. Durch das Messen der eigenen Wirkung kann diese zudem langfristig nachgehalten, verbessert und kommuniziert werden.
Möchtest du eine positive gesellschaftliche Wirkung mit deiner Gründung entfalten, ist es zielführend für dich, ein gutes Wirkungsmodell zu entwickeln. Überlege dir, für wen und wie du eine Wirkung erzeugen möchtest und welche Wirkung das genau sein soll. Hast du bereits ein Wirkungsmodell entwickelt, dann denke daran, dass ein langfristiges Monitoring deiner Wirkung diese sicherstellen und verbessern kann, sodass du in unserer Gesellschaft so viel wie möglich bewirken kannst
Bonus: Wirkungslogik-Canvas
Mit deinem Social Enterprise möchtest du Wirkung erzielen - aber was ist eigentlich deine Wirkung und wie kannst du sie messbar machen? Welchen Impact hat deine Unternehmung auf die Gesellschaft? Nutze die Wirkungslogik-Canvas von SEND e. V., um dir über diese Fragen strukturiert Gedanken zu machen.
Katharina Scharpe ist Referentin für Wissenschaftliche Kooperation beim Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND). SEND ist 2017 aus dem Bundesverband Deutsche Startups entstanden und hat sich zum größten Interessenverband für Social Entrepreneurship in Deutschland entwickelt. Seit 2018 veröffentlicht SEND den Deutschen Social Entrepreneurship Monitor (DSEM), bei dem Katharina Scharpe Co-Autorin ist.