Geschäftsmodell

Ein soziales Unternehmen gründen
Ideen für eine bessere Welt

Immer mehr Menschen gründen soziale Unternehmen. Sie wollen die Welt ein Stückchen besser machen und haben erkannt, dass sie das am besten mit unternehmerischen Mitteln tun können. Eine dieser Social Entrepreneurs ist Kerstin Heuer, die mit Futurepreneur e. V. einen gemeinnützigen Verein gegründet hat, der junge Menschen für das Unternehmertum begeistert.

Kerstin Heuer von Futurepreneur

Kerstin Heuer von Futurepreneur (Fotocredits: Nele Martensen)

Kerstins Sozialunternehmen ist inzwischen etabliert. Der Verein Futurepreneur beschäftigt mehrere Mitarbeitende und wächst weiter. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sie es so weit geschafft hat.

Kerstin, in dem Video, das wir mit dir gedreht haben, sprichst du davon, dass du damals über die Idee zu deinem gemeinnützigen Unternehmen „gestolpert“ seiest. Magst du uns genauer erzählen, wie das passiert ist?

Ein Kollege berichtete mir von einem schwedischen Projekt, bei dem Jugendliche etwas Startgeld bekommen, um während der Sommerferien ihre eigene Geschäftsidee umzusetzen. So lernen sie die Grundlagen von Entrepreneurship – Umgang mit Unsicherheit, das Entwickeln neuer Lösungen, das aktive Gestalten der Umwelt – und sie erfahren, was sie mit ihrer Kreativität bewirken können. Ich fand das genial!

In dieser Zeit hatte ich in meinem Job bei einer Unternehmensberatung immer wieder mit Menschen zu tun, die aufgrund von äußeren Umständen zum ersten Mal in ihrem Leben gezwungen waren, unternehmerisch zu handeln und damit total überfordert waren. Da war zum Beispiel der Kapitän, der seine Aufträge plötzlich selbst akquirieren sollte, oder die Journalistin, die sich als Freelancerin behaupten musste. Als ich mir die Geschichten dieser verzagten Menschen anhörte, wurde mir bewusst, wie wichtig unternehmerisches Denken und Handeln für jeden von uns ist, und dass man das entsprechende Mindset gar nicht früh genug trainieren kann.

Ich habe mich also hingesetzt und die Idee aus Schweden auf Deutschland übertragen. Wir haben das Konzept „Sommerunternehmer“ auf einem Workshop vor lauter Experten der Gründungsförderung vorgestellt und die Resonanz war überwältigend. Das Wirtschaftsministerium war begeistert und das Konzept bekam sogar eine Auszeichnung. Ich dachte: Prima, die werden das jetzt finanzieren und umsetzen. Ein Irrtum, wie sich bald herausstellte.

Im folgenden Video zeigen wir dir das Porträt eines weiteren spannenden Sozialunternehmens: Social-Bee. Es wurde ebenfalls für sein Konzept ausgezeichnet, dieses Mal von der KfW:

Was geschah nach dem Workshop?

Gar nichts! Das Konzept drohte, in der Schublade zu verstauben. Da habe ich kurzerhand beschlossen, es selbst umzusetzen. Gemeinsam mit meinem damaligen Arbeitgeber, einem Beratungsunternehmen, habe ich die ersten Sommerunternehmer begleitet und unterstützt.

Welche Learnings hast du aus diesem ersten Versuch gewonnen?

Wir haben erkannt, dass die Idee zwar gut ist, aber das Konzept noch nicht so recht passt. Dazu muss man wissen: In Schweden ist es unter Schülern üblich, die langen Sommerferien zu nutzen, um sich etwas Geld zu verdienen. Insbesondere benachteiligte Jugendliche werden sogar von den Behörden gezielt in entsprechende Jobs vermittelt. Da es diese Sommerjobkultur hier nicht gibt, fiel es uns schwer, Teilnehmer zu aktivieren.

Wir lernten aus unserem Test, dass wir tiefer in die Arbeit mit den Jugendlichen einsteigen mussten und dass wir mehr Zeit brauchten.

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Wie ging es nach der Testphase weiter? Hast du einen Businessplan geschrieben oder ein Geschäftsmodell skizziert?

Durch den Testlauf war mir klar geworden, dass ich das Projekt nicht ernsthaft nebenbei würde realisieren können. Ich brauchte feste Organisationsstrukturen, am besten einen gemeinnützigen Verein. Also habe ich mir einen Berater gesucht, der auf Gemeinnützigkeit und Fundraising spezialisiert war. Mit ihm zusammen habe ich die Erfahrungen aus dem Pilotversuch ausgewertet und daraus ein Geschäftsmodell entwickelt.

Im Zentrum stand die Frage nach der Finanzierung. Wie bei vielen Sozialunternehmen mussten wir in zwei Richtungen schauen: Würden wir einerseits genug Teilnehmer finden? Und würden wir andererseits genug Spenden oder Fördermittel bekommen? Ich war zwar überzeugt, dass das Produkt gut ist. Aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass sich jemand findet, der es finanziert.

Als wir beide Fragen mit ja beantworten konnten, gab mir der Berater grünes Licht. Dann habe ich das Ganze mithilfe eines digitalen Tools zu Papier gebracht und einen vollständigen Businessplan geschrieben. Das hat mir noch mal geholfen, die wichtigen Details zu durchdenken. Beim Schreiben meines Businessplans musste ich Antworten auf Fragen finden, die ich mir sonst gar nicht gestellt hätte.

Ich bin beeindruckt. Du hast eine Gründungsgeschichte wie aus dem Lehrbuch hingelegt: Erst hattest du eine Idee, die hast du getestet, angepasst und erst dann hast du dich selbstständig gemacht.

Ja, das stimmt. Mir kam sicherlich zugute, dass ich als Gründungsberaterin schon viele Gründer*innen habe scheitern sehen und ich mir die schlimmsten Fehler gespart habe. Aber trotzdem lief auch bei mir nicht alles glatt. Der Berater hatte prophezeit, dass die Anlaufphase drei Jahre dauern würde. Ich war überzeugt: Das schaffe ich locker in einem Jahr – was natürlich nicht der Fall war. Der Anfang war schwieriger, als gedacht.

Wie hast du denn deine Mitstreiter und Partner gefunden?

Ich habe jede Gelegenheit genutzt, um von meinem Projekt zu erzählen. Bei einem Straßenfest in meinem Viertel habe ich zum Beispiel den Schulleiter der benachbarten Schule getroffen. Es war gerade die Europameisterschaft und beim Public Viewing habe ich so lange auf ihn eingequatscht, bis er einem Pilotprojekt genervt zugestimmt hat – ich glaube, er wollte einfach nur in Ruhe das Spiel sehen (lacht).

Wie bist du bei der Marktanalyse vorgegangen?

Für meine Marktanalyse habe ich mit Gründungsexperten und Gründungsförderern über meine Idee diskutiert. Sie konnten sowohl die Notwendigkeit als auch die Finanzierbarkeit eines solchen Projekts beurteilen und hatten gleichzeitig Erfahrungen mit der Zielgruppe, den Jugendlichen. Ihr positives Feedback hat mich in meinem Glauben an das Projekt bestärkt.

Wie hast du dein Sozialunternehmen finanziert?

Die Finanzierung war lange meine Hauptarbeit. Zum Glück hatte ich den Fundraisingberater an meiner Seite. Er hat meine Erfolge und Misserfolge eingeordnet und mir immer wieder versichert, dass Rückschläge und Verzögerungen normal seien. Das hat mir geholfen, am Ball zu bleiben.

Mein Berater hat mich auch immer wieder auf den Boden der Tatsachen geholt, wenn ich mal wieder vom „Weißen Ritter“ geträumt habe, der mir eine Million Euro auf den Tisch legt und sagt: Jetzt mach mal. Er erklärte mir immer wieder: „Kerstin, diesen Ritter gibt es nicht, und du solltest froh darüber sein.“ Damals habe ich ihn nicht verstanden, aber heute weiß ich, was er gemeint hat. So konnte ich in Hamburg eine nachhaltige Finanzierung aufbauen, die uns unabhängig von einem großen Investor macht.

Vielleicht bist du Kerstin schon auf der Gründerplattform begegnet. Sie gehört nämlich zu den Vorbildunternehmer*innen, die mit ihrem Beispiel andere Menschen zum Gründen ermuntern möchten. In diesem Video erklärt sie, was ihr Verein macht und was sie antreibt.

Vor welchen Herausforderungen stehst du heute?

Wie bei jedem „normalen“ Unternehmen auch, verändern sich die Herausforderungen mit der Zeit. Heute ist die Finanzierung nicht mehr das allergrößte Problem, die Träger oder Kommunen kommen sogar von sich aus auf uns zu. Dafür nimmt die Suche nach guten Leuten mehr Raum ein. Ich bin ja als Einzelkämpferin gestartet, da war Recruiting zunächst kein Thema. Aber irgendwann konnte ich die Arbeit alleine nicht mehr leisten und musste Mitarbeiter einstellen. Beim Aufbau meines Teams habe ich viel dazugelernt.

Was hast du gelernt? Kannst du das etwas näher ausführen?

Die richtigen Kandidaten fürs Unternehmen auszuwählen, das kann man sich nicht anlesen, das muss man üben. Das lief nicht immer reibungslos ab, aber ich habe meine Erfahrungen gemacht. Ich habe den gesamten Recruitingprozess professionalisiert und ihn zu einer Daueraufgabe gemacht. Das heißt, wir werden nicht erst aktiv, wenn eine Stelle zu besetzen ist, sondern pflegen permanent unser Bewerbernetzwerk. Wenn wir eine Stelle ausschreiben, wird nach einem Scoring-System eine Vorauswahl getroffen. Die Gespräche führen wir dann immer zu zweit und beziehen anschließend das Team in die Entscheidung mit ein. Das alles ist zwar recht aufwendig, aber es lohnt sich. Denn eine Missstimmung im Team kann die ganze Organisation in Gefahr bringen.

Was ist sonst noch wichtig, um gute Leute zu finden und zu halten?

Zunächst einmal zahlen wir vernünftige Gehälter und sorgen für gesunde Arbeitsbedingungen.

Dann sollte man sich für die Suche nach neuen Leuten genug Zeit nehmen, keine Entscheidung unter Druck treffen und unbedingt auf sein Bauchgefühl hören. Wenn man am Anfang schon ein komisches Gefühl hat, kann man fast sicher sein, dass es später Schwierigkeiten gibt.

Im nächsten Video erzählen die Gründer des Sozialunternehmens Goldeimer von ihren Erfahrungen mit der Suche nach Mitstreitern:

Welche Rechtsform hast du für dein soziales Unternehmen gewählt?
Als ich vor der Frage nach der passenden Rechtsform stand, habe ich meinen Steuerberater und einen Anwalt um Rat gefragt. Die Gründung eines gemeinnützigen Vereins schien für das Projekt am besten zu passen, da sie relativ schnell und unkompliziert vonstattengeht – anders als zum Beispiel die Gründung einer gGmbH (Anmerkung: gemeinnützige GmbH) oder einer Stiftung.

Die Unterhaltskosten dieser Rechtsform (Bilanzierung, Governance (Anmerkung:  Unternehmensführung) etc.) sind auch eher günstig im Vergleich zur gGmbH und Stiftung. Bis heute habe ich diese Entscheidung nicht bereut, auch wenn ich sie regelmäßig überprüfe. Wenn unser Unternehmen weiterwächst, kann ein Wechsel der Rechtsform angebracht sein.

Wie wichtig ist die Gemeinnützigkeit für dein soziales Unternehmen?

Die Gemeinnützigkeit ist für uns zentral. Ohne sie könnten wir nicht die Wirkung erzielen, die wir uns vorstellen. Würden wir darauf verzichten, müssten wir andere Zielgruppen ansprechen und mithin das gesamte Konzept ändern. Natürlich könnten wir auch im Auftrag von Firmen unsere Workshops durchführen, aber dann würden wir ganz andere Menschen erreichen.

Was hältst du davon, kommerzielle Angebote für die Querfinanzierung gemeinnütziger Projekte durchzuführen?

Ich sehe das kritisch. Auf den ersten Blick würden wir uns durch Firmenschulungen zwar zusätzliche Spielräume eröffnen – aber auf den zweiten Blick würden wir unsere Glaubwürdigkeit gefährden und es uns erschweren, Spenden einzuwerben. Die Marke Futurepreneur würde verwässert und unsere Geldgeber wüssten bald nicht mehr, wofür wir stehen.

Auch in einem sozialen Unternehmen kommt es darauf an, die Finanzen im Blick zu behalten. Wie steuerst du dein Unternehmen?

Ich arbeite von Anfang an mit einem Steuerberatungsbüro zusammen, das auf gemeinnützige Organisationen spezialisiert ist. Das Vereinsrecht ist nämlich ziemlich tricky – und unser Steuerberater bewahrt uns davor, wegen eines dummen Fehlers die Gemeinnützigkeit zu gefährden.

Außerdem sorgen wir durch ein professionelles Projektcontrolling dafür, dass die Mittelverwendung transparent bleibt und wir die Liquiditätsplanung im Auge behalten. Und wir nutzen eine cloudbasierte CRM-Software (Anmerkung: CRM = Customer Relationship Management, also Kundenbeziehungsmanagement). Für uns als gemeinnütziger Verein ist die Nutzung kostenlos.

Welche Förderungsmöglichkeiten haben dir bei deiner Gründung geholfen?

Social Entrepreneurs brauchen besonders viel Biss und Durchhaltevermögen. Die Gründung eines Sozialunternehmens ist noch komplizierter und vielschichtiger, als bei einem „normalen“ Unternehmen, weil man immer an zwei Fronten kämpft: Man muss seine Zielgruppe erreichen und Investoren finden, die die Mission unterstützen.

Deshalb ist es gut, dass es spezielle Förderangebote für Sozialunternehmen gibt. Ich selbst habe seit meiner Gründung davon profitiert, etwa vom Social Impact Lab, Common Purpose oder brandeins-Safari. Durch den Austausch habe ich viel gelernt und ich konnte mein Netzwerk ausbauen.

Wie hältst du die Balance zwischen sozialem Handeln und Wirtschaftlichkeit?

Die Wirtschaftlichkeit definiert sich meiner Meinung nach für Sozialunternehmen nach der Wirkung ihrer Projekte. Um sie nachzuweisen, braucht man eine professionelle Evaluation. Wir haben 2017 unsere Maßnahmen von der Leuphana Universität Lüneburg evaluieren lassen, mit dem tollen Ergebnis, dass wir durch unser Engagement unternehmerisches Denken bei jungen Menschen nachweislich fördern. Das macht uns natürlich sehr stolz, darauf ausruhen wollen wir uns aber nicht. Wir setzen die Evaluation jetzt regelmäßig fort.

Hast du noch einen letzten Tipp für alle, die wie du ein gemeinnütziges Unternehmen gründen möchten?

Ich würde sagen, es ist wie mit dem Kinderkriegen: Es ist gut, wenn man vorher nicht alles weiß (lacht). Aber im Ernst: Was man unbedingt braucht, ist ein stabiles Netzwerk, das einen auffängt und aufpäppelt, wenn man mal durchhängt. Außerdem sollte man zu 100 Prozent hinter dem stehen, was man vorhat – sonst hält man es nicht durch.

Vielen Dank für deine spannenden Einblicke und weiterhin viel Erfolg mit Futurepreneur!

Jan und Kerstin

Hörempfehlung: Du möchtest noch mehr über Kerstins Geschäftsmodell und Futurepreneur erfahren? Dann hör dir die Ideencouch-Podcast #54 an! Dort erzählt sie, was sie aus jahrelangem Fundraising gelernt hat und wie sie sich motivieren konnte, so lange durchzuhalten. Außerdem berichtet sie, wie die Corona-Pandemie ihre Arbeit derzeit beeinflusst. 

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bhp