Wenn du dich haupt- oder nebenberuflich selbstständig machen möchtest oder bereits als Freelancer*in arbeitest, hast du vielleicht schon mal von Scheinselbstständigkeit gehört. Die liegt vor, wenn ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu deinem Auftraggeber besteht. Ob so eine Abhängigkeit tatsächlich vorliegt, wird in einem sogenannten Statusfeststellungsverfahren überprüft.
In diesem Artikel erfährst du alles zum Ablauf des Statusfeststellungsverfahrens. Außerdem haben wir einige Tipps für dich, wie du Scheinselbstständigkeit vermeiden oder mit einem negativen Verfahrensergebnis umgehen kannst.
Was ist ein Statusfeststellungsverfahren
Das Statusfeststellungsverfahren wird von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) durchgeführt; sie hat dazu extra eine Clearingstelle eingerichtet. Das Verfahren dient dazu, Arbeitsverhältnisse rechtlich einzuordnen und zu klären, wer als Arbeitnehmer*in gilt und wer selbstständig tätig ist. Selbstständige sind in der Regel nicht sozialversicherungspflichtig und müssen auch nicht in die Rentenkasse einzahlen. Bei einer Scheinselbstständigkeit liegt die Sache anders: Scheinselbstständige erfüllen nicht die Kriterien eines unabhängigen, also selbstständigen Auftragsverhältnisses, sondern arbeite für das auftraggebende Unternehmen wie Angestellte. Das heißt, sie müssten eben doch Sozialversicherungs- und Rentenbeiträge einzahlen. Und das interessiert die DRV.
Aber nicht nur als Freelancer*in kann dich ein Statusfeststellungsverfahren erwarten. Obligatorisch ist es zum Beispiel für Unternehmen, die Angehörige, Ehe- oder Lebenspartner*innen beschäftigen, sowie angestellte Geschäftsführer*innen und Gesellschafter*innen.
Seit der Reform des Verfahrens 2022 dient es nur noch der Statusfeststellung an sich und stellt noch keine Auskunft über die Sozialversicherungspflicht dar. Es ist jedoch ausschlaggebend dafür, ob sich an deinem Versicherungsstatus etwas ändert und du oder deine Auftraggebenden möglicherweise mit Nachzahlungsforderungen rechnen müssen.
Was ist Scheinselbstständigkeit?
Eine Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn du formal als Selbstständige*r tätig, in Wirklichkeit aber abhängig beschäftigt bist. Die Kriterien sind erfüllt, wenn: ...
- ... du nur oder hauptsächlich für ein Unternehmen tätig bist;
- ... du den Weisungen der Auftraggebenden unterliegst, also nicht frei entscheiden kannst, wann, wo und wie viel du arbeitest;
- ... du einen festen Arbeitsplatz in der Firma hast, deinen Urlaub abstimmen musst oder Ähnliches;
- ... du Aufträge nicht ablehnen kannst;
- ... du dich nicht durch Subunternehmer*innen vertreten lassen darfst;
- ... du selbst nicht unternehmerisch auftrittst, z. B. mit eigenem Logo und Website sowie Firmensitz und -namen;
- ... du genauso behandelt wirst wie die Angestellten und zum Beispiel keinen höheren Stundensatz erhältst;
Das sind nur einige Kriterien, die nicht alle zutreffen müssen und allein gesehen nicht zwingend eine Scheinselbstständigkeit nachweisen. Es sind lediglich Hinweise auf eine mögliche Scheinselbstständigkeit.
Wer kann ein Statusfeststellungsverfahren beantragen?
Ein Statusfeststellungsverfahren kann von verschiedenen Parteien beantragt bzw. durchgeführt werden. Zum einen kann es passieren, dass die Krankenkasse oder ein Rentenversicherungsträger auf dich aufmerksam werden und Anhaltspunkte für eine Scheinselbstständigkeit finden, die sie gerne überprüfen würden. Das passiert häufig im Rahmen einer Betriebsprüfung. In diesem Fall ist kein Antrag auf Statusklärung erforderlich. Krankenkasse und Rentenversicherungsträger können die Prüfung selbst durchführen.
Zum anderen haben auch Auftraggeber*innen die Möglichkeit, deinen Status als Selbstständige*r zu überprüfen.
Du selbst kannst ebenfalls ein Statusfeststellungsverfahren beantragen. Seit der Reform ist das schon vor Beginn deiner Selbstständigkeit möglich. So gehst du sicher, dass du nicht scheinselbstständig tätig sein wirst. Interessant ist das zum Beispiel für Freelancer*innen, die sich nebenberuflich selbstständig machen oder am Anfang nur eine*n Auftraggeber*in haben. Wenn die Rentenversicherung jedoch bereits aktiv ist und den Verdacht auf Scheinselbstständigkeit bei dir hegt, ist es zu spät: Dann kannst du nicht schnell selbst einen Antrag stellen in der Hoffnung auf einen besseren Ausgang.
Wie läuft das Statusfeststellungsverfahren ab?
Der erste Schritt ist der Antrag auf Statusfeststellung. Willst du selbst freiwillig einen Antrag stellen, findest du bei der DRV ein Formularpaket mit allen Formularen zur Statusfeststellung. Fülle einfach die nötigen Formulare aus und schicke sie an die Clearingstelle der Rentenversicherung. Für dich als Freelancer*in ist vor allem das Formular V0027 relevant. Dort werden alle Details zum jeweiligen Auftragsverhältnis abgefragt.
Das Statusfeststellungsverfahren ist übrigens kostenfrei. Es kann jedoch sinnvoll sein, sich vorher rechtlich beraten zu lassen – damit du nicht mit einem unschönen Ergebnis konfrontiert wirst. Hast du den Antrag vor Aufnahme des Auftrags abgeschickt, kommt es zu einer sogenannten Prognoseentscheidung, die erst mal keine negativen Folgen für dich haben kann. Schließlich könntest du den Auftrag jetzt noch ablehnen.
Nach Eingang deiner Unterlagen werden diese von der DRV geprüft und die Clearingstelle trifft eine Entscheidung. Grundsätzlich gilt, dass sich das Verfahren günstig auf die Betroffenen auswirken sollte. Gesetzlich festgelegt ist, dass die Prüfung nicht länger als drei Monate dauern darf. Anschließend erhältst du einen schriftlichen Bescheid über das Ergebnis des Statusfeststellungsverfahrens.
Was passiert, wenn ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt wird?
Wenn beim Statusfeststellungsverfahren herauskommt, dass du eigentlich doch sozialversicherungspflichtig bist, hat das Konsequenzen: Du und dein*e Auftraggeber*in müsst fehlende Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen – und zwar bis zu vier Jahre rückwirkend. Auch Lohnsteuernachzahlungen können entstehen und falls du Umsatzsteuer auf deinen Rechnungen ausgewiesen hast, muss diese ebenfalls zurückgezahlt werden. Du wirst rückwirkend als Arbeitnehmer*in eingestuft – inklusive aller Vorteile wie Arbeitslosen- und Krankengeld. Ihr könnt das Arbeitsverhältnis aber natürlich auch auflösen, wenn du eigentlich tatsächlich selbstständig arbeiten möchtest.
Wird dir beim Statusfeststellungsverfahren nachgewiesen, dass du vorsätzlich scheinselbstständig warst, folgen zudem strafrechtliche Konsequenzen. Das können Bußgelder sein oder im schlimmsten Falle sogar eine Gefängnisstrafe. Wenn du unabsichtlich in die Scheinselbstständigkeit geraten bist, brauchst du dir da aber keine Sorgen zu machen!
Bist du mit dem Ergebnis der Statusfeststellung nicht einverstanden, kannst du außerdem Widerspruch einlegen oder klagen.
Wie lässt sich Scheinselbstständigkeit vermeiden?
Vor einer Scheinselbstständigkeit kannst du dich schützen, indem du oben genannte Kriterien vermeidest und deine unternehmerische Tätigkeit klar definierst. Hier sind einige Tipps, wie du Scheinselbstständigkeit vermeidest:
- Unternehmerische Tätigkeit: Es sollte aus deinem Businessplan und deiner Website ersichtlich sein, dass du selbstständig bist und ein unternehmerisches Risiko trägst
- Eigenständigkeit: Achte bei Aufträgen darauf, dass du nicht weisungsgebunden bist, sondern selbst entscheidest, ob und wie viele Aufträge du annimmst.
- Corporate Identity: Sorge dafür, dass du als Unternehmer*in wahrgenommen wirst, indem du deiner Firma einen Namen gibst, du ein Logo, eine Marke, eine Website, Visitenkarten und Ähnliches vorweisen kannst.
- Marketing: Triff geeignete Marketingmaßnahmen für dein Business, zum Beispiel durch Social Media, Anzeigen, Suchmaschinenoptimierung, einen Blog, Flyer, PR usw.
- Verschiedene Kund*innen: Du solltest idealerweise für mehrere Auftraggeber*innen tätig sein und nicht ausschließlich für einen. Falls du noch ganz am Anfang stehst, halte in deinem Businessplan Maßnahmen fest, mit denen du den Kreis deiner Kund*innen in Zukunft erweitern möchtest.
- Angemessene Stundensätze: Achte auf eine für Selbstständige angemessene Preiskalkulation. Dabei liegen die Stundensätze deutlich höher als die von Angestellten – schließlich musst du dich selbst versichern, für deinen Arbeitsplatz, Urlaub und Krankheit aufkommen.
Wenn du diese Dinge umsetzt, ist es sehr wahrscheinlich, dass du im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens als selbstständig und unabhängig tätig eingestuft wirst.
Bringt eine Bescheinigung Rechtssicherheit?
Das Thema Scheinselbstständigkeit sorgt für große Verunsicherung unter Gründer*innen und Selbstständigen. Leider schafft es die Politik nicht, hier Klarheit zu schaffen. Das nutzen inzwischen immer mehr Anbieter von „Echtheitszertifikaten“ für Selbstständige. Sie versprechen eine rechtssichere Bescheinigung darüber, dass die zertifizierte Person tatsächlich und nicht nur zum Schein selbstständig sei. Das soll insbesondere auftraggebenden Unternehmen die Sorge nehmen, Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen zu müssen.
Doch wie seriös sind diese Anbieter? Und was bringt ein solches Zertifikat wirklich? Um es gleich zu sagen: überhaupt nichts. Erstens müsste jeder (zukünftige) Auftrag einzeln zertifiziert werden. Du kannst nämlich in einem Auftragsverhältnis selbstständig und gleichzeitig in einem anderen scheinselbstständig sein. Zweitens ist der Begriff „Zertifikat“ rechtlich nicht geschützt. Ein Schriftstück von einem privaten Anbieter, das deine Selbstständigkeit für alle künftigen Aufträge einwandfrei belegen könnte, gibt es also nicht. Nach gegenwärtiger Rechtslage kann einzig ein Statusfeststellungsverfahren durch die DRV deinen Status sicher belegen.
Hinzu kommt: Sollte die DRV deine Tätigkeit trotz Zertifikats als scheinselbstständig einstufen, könntest du dich nicht mehr darauf berufen, von nichts gewusst zu haben – denn sonst hättest du dir ja kein Zertifikat besorgt. Dir könnte vorsätzliche Beitragshinterziehung vorgeworfen werden, was zu verlängerten Fristen für die Beitragsnachforderungen (von vier auf 30 Jahre!) und höheren Säumniszuschlägen führen kann.
Fazit
Das Statusfeststellungsverfahren dient dazu, abhängige Arbeitsverhältnisse aufzudecken und Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Es ist nach der gültigen Rechtslage die einzige Möglichkeit, Klarheit über deinen Status zu gewinnen und wird meist von der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung durchgeführt. Du selbst kannst vor Aufnahme deiner Tätigkeit das Verfahren beantragen, falls du dir unsicher bist. Sollte ein Vertragsverhältnis tatsächlich als scheinselbstständig eingestuft werden, erwarten dich und das auftraggebende Unternehmen unter Umständen hohe Nachzahlungen von Sozialversicherungs- oder Rentenbeiträgen und Säumniszuschläge. Indem du unsere Tipps anwendest, gehst du von Anfang an sicher, dass du nicht scheinselbstständig arbeitest.
FAQ
Das Statusfeststellungsverfahren ist freiwillig und kann von Auftraggeber*innen sowie Auftragnehmer*innen beantragt werden. Auch Krankenkassen und Rentenversicherungsträger können es durchführen. Obligatorisch ist es für geschäftsführende Gesellschafter*innen sowie bei Verwandtschaftsverhältnissen, wenn es um eine Anstellung im Unternehmen geht.
Mit dem Verfahren wird der Status von Auftragnehmer*innen festgestellt: Sind sie tatsächlich selbstständig oder besteht eine Abhängigkeit vom auftraggebenden Unternehmen? Das Verfahren soll eine mögliche Scheinselbstständigkeit ausschließen bzw. im Falle einer Abhängigkeit Aufschluss über die Konsequenzen geben.
Es ist gesetzlich festgelegt, dass die Prüfung des Antrags auf Statusfeststellung innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein muss.