Vertrieb ist nicht unbedingt ein Wort, das innovativ und spannend klingt. Doch deine Existenzgründung wird ohne Vertrieb nicht funktionieren. Aber was genau verbirgt sich hinter dem Begriff überhaupt? Mache nicht den Fehler, Vertrieb nur mit der rein logistischen Verbreitung von Waren gleichzusetzen. Das ist nur ein Teil des Ganzen. Auch der Verkauf von Waren, die Steuerung des Außendiensts und die Kontaktpflege zum Handel beziehungsweise Endkunden zählen dazu. Und es geht dabei nicht nur um Waren – auch wenn du Dienstleistungen anbietest, benötigst du einen Vertrieb. Das Kundenmanagement ist dabei von zentraler Bedeutung. Deshalb wäre zunächst die Frage zu klären, was Vertrieb vom Marketing unterscheidet?
Vertrieb und Marketing – was ist der Unterschied?
Gerade in kleineren Unternehmen und bei Neugründungen werden Vertrieb und Marketing häufig gleichgesetzt oder auch von einer Person übernommen. Es gibt tatsächlich viele Schnittmengen und genau genommen ist der Vertrieb ein Teil des Marketing-Mixes. Marketing ist die Ausrichtung eines Unternehmens an den Bedürfnissen des Marktes. Zu den Aufgaben gehören Produkt- und Preispolitik, Kommunikation und eben der Vertrieb. Vereinfacht ausgedrückt kümmert sich das Marketing um die Nachfrage des Kunden und der Vertrieb um den Absatz.
Aufgaben des Vertriebs
Die zentrale Aufgabe des Vertriebs ist es, Neukunden zu akquirieren und den Kontakt zu Bestandskunden zu pflegen. Darum herum gruppieren sich eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die je nach Größe des Unternehmens auch eine ganze Abteilung in Anspruch nehmen. Existenzgründer*innen backen da häufig kleinere Brötchen, und du wirst unter Umständen zunächst Dinge übernehmen wie:
- Potenzielle Kunden identifizieren und kontaktieren.
- Anfragen von möglichen Kunden bewerten und Angebote erstellen.
- Kunden nach Kauf oder Erledigung eines Auftrags betreuen, um eine weiterführende Kundenbindung zu schaffen.
Der letzte Punkt hat eine besondere Bedeutung, da du nicht am kurzfristigen Verkaufserfolg interessiert sein solltest, sondern an einer langfristigen Kundenbeziehung. Bestandskunden zu halten, ist deutlich weniger aufwendig als die Neukundenakquise und aus Datenschutzgründen auch unproblematischer. Ein guter Bestandskundenstamm ermöglicht es dir, einen Teil deines Umsatzes über einen längeren Zeitraum einzukalkulieren und bildet so eine stabile Basis für deine Geschäftstätigkeit.
Die Rolle des Vertriebs bei der Produktentwicklung
Da die Neugewinnung und Bindung von Kunden stark vom Angebot deines Unternehmens abhängt, sollte das Vertriebswissen deines Unternehmens schon bei der Produktentwicklung einbezogen werden. Was weißt du über deine Kunde*innen und ihre Bedürfnisse? Die Themen Value Proposition oder auch Kundennutzen kennst du vielleicht schon aus der Arbeit am Geschäftsmodell. Sie werden dich auch zukünftig begleiten, damit du nicht an deiner Zielgruppe vorbei entwickelst.
Wenn dein Unternehmen gewachsen ist und schon etwas länger am Markt besteht, ist es auch aus einem weiteren Grund sinnvoll, das Vertriebsteam in die Produktentwicklung einzubeziehen: Du stärkst dadurch die Motivation und somit die Mitarbeiterbindung. Wenn die Meinung und das Feedback der Vertriebsprofis gefragt ist, identifizieren sie sich mehr mit den Produkten und dem Unternehmen und das macht ihnen die Vertriebsarbeit leichter.
Umgekehrt sollte bei der Produktentwicklung gleich der Vertrieb mitgedacht werden. Nicht nur die Einschätzung des Bedarfs spielt dabei eine Rolle, sondern auch die Möglichkeit, das Produkt an den Kunden zu bringen. Für ein neues Produkt musst du optimale Vertriebswege finden. Wichtig ist dabei die Kenntnis darüber, welche Vertriebswege deine Zielgruppe nutzt. Außerdem kann es sinnvoll sein, am Anfang verschiedene Vertriebskanäle auszuprobieren, um neue Erfahrungen zu sammeln. Vergiss bei all dem aber nicht, dass du neben der Bedarfsdeckung auch eine saubere Auftragsabwicklung und Lieferung sicherstellen musst.
Formen des Vertriebs
Es gibt eine Vielzahl von Vertriebswegen. Diese lassen sich verschiedenen Untergruppen zuordnen. Da ist zunächst einmal die Unterscheidung in direkten und indirekten Vertrieb:
- Der direkte Vertrieb ist sozusagen die Urform des Vertriebs. Du als Hersteller*in oder Dienstleister*in verkaufst deine Waren und/oder Leistungen direkt an die Kunden. Das können Privatpersonen, also Endkunden, sein (B2C = Business-to-Consumer) oder Geschäftskunden (B2B = Business-to-Business). Beispiele für direkten Vertrieb sind Ladengeschäfte und Onlineshops.
- Beim indirekten Vertrieb setzt du auf Zwischenhändler. Das können Groß-, Fach- und Einzelhandel oder selbstständige Handelsvertreter sein. Der indirekte Vertrieb kann über mehrere Stufen erfolgen. Beispielsweise lieferst du deine Waren an einen Großhandel, der sie wiederum weiter an den Fachhandel vertreibt.
Beide Modelle haben Vor- und Nachteile. Für dich als Existenzgründer*in bietet der direkte Vertrieb den Vorteil, dass du die volle Kontrolle besitzt und im persönlichen Kontakt zu deinen Kunden stehst. Negativ sind dagegen der Arbeitsaufwand und die eventuellen Personalkosten. Auch das Know-how musst du vermutlich erst einmal aufbauen.
Beim indirekten Vertrieb ist positiv hervorzuheben, dass du ein bereits bestehendes Vertriebsnetz nutzt. Dieses gibt es aber nicht umsonst, was deinen Gewinn schmälert. Als ein noch größerer Nachteil kann sich jedoch der fehlende Kontakt zu deinen Kunden erweisen. Dir fehlt so unter Umständen wichtiges Feedback für deine Produktgestaltung und Unternehmensstrategie.
Eine weitere Unterscheidung bei der Gestaltung deines Vertriebs sind die Arten deiner Aktivitäten – Inbound und Outbound. Die Begriffe stammen aus der Welt der Call-Center und bezeichnen dort ein- bzw. ausgehende Gespräche. Auf den Vertrieb übertragen stehen alle Outbound-Aktivitäten für dein aktives Handeln, um mit dem Kunden in Kontakt zu treten. Inbound hingegen besteht in Anfragen potenzieller Kunden direkt an dich. Im Fokus deines Outbound-Vertriebs steht die Schaffung von Aufmerksamkeit für deine Produkte und/oder Leistungen. Das kann durch Werbung passieren, über eine gut gemachte Website, durch Präsenz in sozialen Netzwerken und Suchmaschinenoptimierung (SEO). Diese Form des Vertriebs hat durch das Internet sehr an Bedeutung gewonnen.
Direkter und indirekter Vertrieb sowie Outbound- und Inbound-Aktivitäten lassen sich natürlich verbinden. Wenn du mehrere Vertriebskanäle kombinierst, nennt man das Multichannel-Vertrieb.
Plane den Vertriebsprozess
Plane, wie du deinen Vertrieb aufbauen willst.
- Die Vertriebsstrategie festlegen:
Im Grunde genommen ist die Vertriebsstrategie bereits Teil deines Businessplans. Für den musst du eine Kunden- und Umsatzanalyse erstellen sowie die Stärken und Schwächen deiner Geschäftsidee definieren. Aus diesen Erkenntnissen resultiert deine Vertriebsstrategie fast automatisch. Das heißt aber nicht, dass du es dabei belassen kannst. Formuliere genau, welche Kunden du über welche Kanäle erreichen willst.
- Ziele definieren und kontrollieren:
Jede Vertriebsstrategie ist nur so gut wie ihre Ziele. Lege fest, was du bis wann erreichen willst. Und kontrolliere das regelmäßig, um deine Strategie gegebenenfalls anzupassen oder zu ändern. Für die Erfolgsmessung brauchst du klar festgelegte Kennzahlen. Eine CRM-Software kann hier sehr hilfreich sein. Mehr dazu liest du weiter unten.
- Die richtigen Vertriebskanäle auswählen:
Welche Vertriebskanäle eignen sich am besten für deine Produkte und Leistungen? Lege sie fest und prüfe, ob eine Kombination aus direktem und indirektem Vertrieb geeignet ist. Wenn du auf eine Multichannel-Lösung setzt, wäge ab, wie sich die unterschiedlichen Kanäle ergänzen und würfele sie nicht wahllos zusammen. Verbinde deine Vertriebs- mit deinen Marketingmaßnahmen.
- Vertriebsstrukturen festlegen und ein Team aufbauen:
Lege zu Beginn fest, wie dein Vertrieb aufgebaut sein soll. Diese Struktur definiert einen klaren Ablauf, der dokumentiert ist. Darin sind alle Schritte vom ersten Kundenkontakt über die Angebotserstellung und Auftragsabwicklung bis hin zur Nachbetreuung festgehalten. Viele Existenzgründer*innen gestalten und betreuen zu Beginn ihrer Geschäftstätigkeit den Vertrieb selbst. Doch wenn dein Geschäft wächst, benötigst du früher oder später Mitarbeiter*innen, die sich darum kümmern.
Mitarbeiter*innen, die im Vertrieb arbeiten, stehen im direkten Kundenkontakt und vertreten das Unternehmen, seine Leistungen und Werte. Sie müssen deshalb gut qualifiziert sein und Kommunikationsgeschick besitzen.
Messe den Erfolg deines Vertriebs
Überprüfe regelmäßig, wie gut dein Vertrieb funktioniert. Der Umsatz ist gut, also läuft’s auch im Vertrieb – das greift zu kurz. Du verpasst eventuell Möglichkeiten, den Umsatz zu steigern. Oder merkst nicht, dass du mehr und mehr von einem Kunden abhängig bist. Fällt der weg, bricht dein Umsatz ein. Wenn du dich mit der Erfolgsmessung des Vertriebs auseinandersetzt, wirst du schnell auf die Abkürzung KPI stoßen – den Key Performance Indicator, zu Deutsch die Leistungskennzahl. Anhand von Kennzahlen lassen sich die Leistungen von Aktivitäten in Unternehmen ermitteln. KPIs können für die unterschiedlichsten Bereiche eines Unternehmens festgelegt werden. Für den Vertrieb sind typische KPIs:
- Entwicklung des Umsatzes in Zeitabschnitten
Du hast dir vorgenommen, in einem Jahr einen bestimmten Umsatz zu machen. Wenn du ihn nur am Jahresende überprüfst, vergibst du eventuell die Möglichkeit, im laufenden Geschäftsjahr zu reagieren. Besser ist es, in bestimmten Abständen (zum Beispiel monatlich oder vierteljährlich) deinen Umsatz zu überprüfen und – wenn möglich – mit dem Vorjahreszeitraum zu vergleichen. In diesem Zusammenhang spielt auch der Break-Even-Point eine Rolle, der Zeitpunkt, an dem du die Umsatzsumme erreicht hast, mit der du deine Unkosten deckst und ab der du Gewinn machst.
- Vertriebsquote
Wie hoch ist der prozentuale Anteil der Kosten für den Vertrieb am Gesamtumsatz? Wenn die Kosten für den Vertrieb zu hoch sind, verschlechtert das deine Umsatzrendite.
- Produktivität des Vertriebs
Wie hoch sind die Personalkosten des Vertriebs, beziehungsweise wie hoch ist der generierte Anteil am Umsatz pro Vertriebsmitarbeiter*in? Dadurch erkennst du, ob dein Team zu groß oder zu klein ist.
- Anzahl der Leads in bestimmten Zeiträumen
Leads sind Kontakte mit Kunden. Um zu wissen, wie dein Vertrieb läuft, ist deren Anzahl relevant. Dabei ist sinnvoll, zwischen Inbound und Outbound zu unterscheiden, um zu sehen, welche Maßnahmen am besten funktionieren.
- Lead-Conversion-Rate, häufig auch nur Conversionrate
Ein ganz wichtiger Wert: Aus wie vielen deiner Kundenkontakte hast du Aufträge generiert? Hast du viele Leads im Monat, aber nur wenige Aufträge, musst du dein Angebot anpassen und attraktiver für potenzielle Kunden machen.
- Auftragsreichweite
Auftragserteilung bedeutet nicht gleich Geldeingang auf dem Konto. Deshalb musst du im Blick haben, wie lange es dauert, bis aus einem Auftrag Umsatz wird. Sonst drohen Liquiditätsprobleme, und du kannst deine laufenden Kosten nicht mehr decken.
- Stornoquote
Nicht jeder Auftrag wird letztlich auch ausgeführt. Die Stornoquote gibt an, wie viele der Aufträge im Nachhinein widerrufen wurden. Ist sie auffällig hoch, ist es notwendig, dass du das Angebot anpasst. Denn entweder ist es nicht attraktiv genug oder es fehlen wichtige Punkte in deiner Angebotserstellung.
Für dich als Existenzgründer*in ist es vor allem wichtig, dich auf die wichtigsten KPIs zu konzentrieren, die in der Startphase deines Unternehmens die entscheidende Rolle spielen. Schließlich ist dein Vertrieb noch im Aufbau und du hast weder die Zeit noch die Ressourcen, eine große Menge an Kennzahlen zu erfassen und auszuwerten.
Mit dem Start deines Unternehmens gilt es zunächst, Kunden zu gewinnen. Deshalb sind Leads und Conversionrate für dich sehr wichtige Kennzahlen. Hier lohnt es sich, diese Zahlen noch genauer aufzuschlüsseln, nämlich so:
- Customer Acquisition Cost: Wie viel hat dich die Kundenakquise pro Kunde gekostet? Dafür addierst du alle Marketing- und Vertriebskosten (einschließlich der Personalkosten), die über einen bestimmten Zeitraum angefallen sind, und teilst die Summe durch die Zahl der Neukunden, die in dieser Zeit akquiriert wurden.
- Customer Lifetime Value (auch Kundenwert genannt): Der Wert, den ein Kunde insgesamt für ein Unternehmen darstellt, also alle bisherigen Umsätze und die, die voraussichtlich künftig erwirtschaftet werden.
Gleichzeitig musst du im Blick behalten, ob du ausreichend Umsatz machst. Deshalb sind die Umsatzentwicklung und das Erreichen des Break-Even-Points regelmäßig zu überprüfen.
Podcast-Empfehlung: In Episode #91 des Ideencouch-Podcasts sprechen die Architektinnen Dörte und Inka über ihr Projekt „LLOĜI“, mit dem sie individuelle Architektur mit Fertighaustechniken vereinen wollen. Sie diskutieren mit Jan die Entstehung ihrer Idee und ihre Pläne zur Integration von Kund*innen in den Designprozess. Außerdem teilen sie ihre Herausforderungen im Vertrieb und Marketing, wobei sie von Jans Fachwissen in Messepräsentation und Lead-Generierung profitieren.
Höre rein und sammle wertvolle Vertriebstipps aus dieser Folge!
Nutze eine CRM-Software
Natürlich hat die Digitalisierung auch in den Vertrieb Einzug gehalten, und es gibt speziell dafür entwickelte Tools. Man spricht von CRM-Systemen, also Software für das Customer-Relationship-Management. Viele Gründer*innen starten mit Tabellendokumenten, die dann bei schnellem Wachstum unübersichtlich werden. Die Umstellung auf eine CRM-Software wird dann sehr aufwendig. Wenn du gleich damit startest, sparst du dir diesen Aufwand. Du hast von Anfang an Kontakte, Verkaufschancen, Aktivitäten sowie Termine zentral an einem Ort gespeichert. Auch Produkt- und Preisdetails sind dort aktuell abgelegt. Der Zugriff auf die Datenbank über das Internet von überall her ist heute selbstverständlich. Die Software vereinfacht regelmäßig anfallende Arbeiten und entlastet so dein Vertriebsteam bei Verwaltungsaufgaben. Die Bedienung des Programms ist so aufgebaut, dass es Schritt für Schritt durch den Verkaufsprozess führt.
Auch Erfolgsmessung macht eine CRM-Software einfacher, da sie in der Regel Funktionen zur Datenauswertung bietet, die sich entsprechend der eigenen Bedürfnisse konfigurieren lassen. Viele Programme sind so bedienungsfreundlich aufgebaut, dass du dafür keine besondere IT-Expertise benötigst.
Fazit
Deine Vertriebsstrategie sollte bereits stehen, wenn du dein Unternehmen gründest. Beachte, dass der Vertrieb immer mit den anderen Bereichen verknüpft ist, insbesondere mit dem Marketing und der Produktentwicklung. Kunden- und Umsatzanalyse sind wichtige Grundlagen für die Entwicklung deiner Vertriebsstrategie, die du turnusmäßig überprüfen solltest. Identifiziere dafür die geeigneten Kennzahlen, damit du schnell erkennst, wann Änderungen erforderlich sind.
Existenzgründer*innen organisieren den Vertrieb zum Start ihres Unternehmens häufig selbst. Wenn du ein eigenes Vertriebsteam benötigst, plane dessen Aufbau rechtzeitig. Denke daran, dass diese Mitarbeiter*innen im direkten Kundenkontakt stehen, und qualifiziere sie entsprechend.
Wenn du deinen Vertrieb gut planst und strukturierst, schaffst du eine wichtige Grundlage für den Erfolg deiner Geschäftsidee, denn selbst das beste Produkt verkauft sich nicht von selbst.