Als selbstständige*r Unternehmer*in kannst du nicht mit einem festen monatlichen Einkommen rechnen, um deine finanziellen Verpflichtungen pünktlich zu erfüllen. Gleichzeitig sind diese oft sehr hoch: Gehälter müssen regelmäßig bezahlt werden, ebenso wie Steuern, Miete und Versicherungen. Um nicht in Schwierigkeiten zu geraten, solltest du bereits ab der Gründung mit dem Aufbau einer Liquiditätsreserve beginnen – oder im besten Falle sogar schon einen finanziellen Puffer mitbringen. Wir erklären dir alles, was du rund um die Liquiditätsreserve wissen solltest.
Was ist eine Liquiditätsreserve und warum ist sie wichtig?
Schon das Wort bzw. die Wortherkunft von Liquidität beschreibt gut, was sich dahinter verbirgt: Abgeleitet von dem lateinischen Wort „liquidus“, das übersetzt „flüssig“ bedeutet, bezeichnet Liquidität die flüssigen finanziellen Mittel in deinem Unternehmen. Die Liquiditätsreserve ist also die Reserve an flüssigen Mitteln, beispielsweise in Form von Bargeld oder Bankguthaben.
Wichtig ist diese Reserve, weil sie das Überleben deines Unternehmens sichert: Dank der Rücklagen bleibst du zahlungsfähig – auch, wenn mal eine deiner Rechnungen zu spät gezahlt wird oder unvorhergesehene Mehrausgaben auf dich zukommen.
Beispiel gefällig? Stell dir vor, du schreibst Mitte des Monats einige Rechnungen, die innerhalb von 30 Tagen zu begleichen sind. Zum Monatsende werden die Gehälter deiner Mitarbeiter*innen fällig. Um diese pünktlich überweisen zu können, auch wenn sich deine Kund*innen mit dem Bezahlen Zeit lassen, benötigst du eine ausreichende Liquiditätsreserve, die dir dieses „Vorstrecken“ erlaubt.
Zugegeben: Es ist ein stark vereinfachtes Beispiel, macht aber einen wichtigen Punkt klar. Es wird immer wieder vorkommen, dass du finanziell in Vorleistung gehen musst, weil Einzahlungen und Auszahlungen sich nicht parallel zueinander entwickeln. Gerade zu Beginn deiner Selbstständigkeit wirst du mit dem Geld, das du für deine ersten Aufträge bekommst, zwar deine laufenden Kosten decken wollen, wirst es aber wahrscheinlich erst verzögert auf deinem Konto haben – und musst in der Zwischenzeit auf Liquiditätsreserven zurückgreifen. Hast du diese Reserven nicht, droht im schlimmsten Fall das Ende bzw. die Insolvenz, noch bevor du überhaupt richtig angefangen hast.
Wie hoch sollte die Liquiditätsreserve sein?
Verbraucherzentralen empfehlen Privatpersonen, mindestens zwei bis drei Nettogehälter als schnell verfügbare Rücklage in petto zu haben. Doch gilt das auch für dich als Unternehmer*in? Im Prinzip ja. Um herauszufinden, wie hoch deine Liquiditätsreserve sein sollte, kannst du dich auf diesem Wege nähern: mithilfe einer Liquiditätsplanung. Setze deine festen Aufträge mit den Zahlungszielen in die Liquiditätsplanung ein und liste für das komplette Jahr sämtliche zu erwartende Einzahlungen und Auszahlungen termingenau auf. Termingenau ist hier besonders wichtig, da gestellte Rechnungen nicht sofort bezahlt werden und das Geld somit nicht sofort verfügbar ist. Anhand der Planung erkennst du Zahlungsströme und wo eventuell Reserven zum Einsatz kommen müssen – entweder, weil du noch auf Geld wartest oder weil die Auszahlungen die Einzahlungen übersteigen.
Hinweis: Rechne deine monatlichen Fixkosten gegen das, was du auf dem Konto hast und was du an sicheren Einzahlungen noch bekommst, und du hast einen Daumenwert zur Liquiditätsreserve. Wie lange könntest du deine Fixkosten bezahlen, auch wenn keine Einzahlungen mehr eingehen? Wann erreichst du die Nulllinie oder die Dispolinie deines Kontos? Unter zwei Monate ist zu knapp, zwei bis drei Monate gerade ausreichend und ab vier Monaten lässt dich deine Reserve gut schlafen, weil du genug Zeit hast, um auf den Engpass reagieren zu können.
Faktoren, die sich auf die Höhe auswirken
Gerade in der Gründungsphase arbeitest du, vor allem was deine Erträge angeht, häufig mit Annahmen. Kalkuliere im Zweifelsfall lieber etwas zurückhaltender und gestalte deine Liquiditätsreserve besonders großzügig.
Wie großzügig, das hängt unter anderem von der Höhe deiner finanziellen Verpflichtungen ab: Wenn du als Einzelunternehmer*in in deinen eigenen vier Wänden arbeitest und kaum laufende betriebliche Ausgaben hast, kannst du zwei bis drei Nettogehälter zugrunde legen (dazu erfährst du im folgenden Absatz mehr). Führst du ein Unternehmen in einem großen Gebäude mit mehreren Angestellten, hast du jeden Monat viel höhere fixe Ausgaben, die du unbedingt bedienen können solltest.
Noch einmal kurz zur Berechnungsgrundlage Nettogehalt: Um für dich als Selbstständige*n einen vergleichbaren Wert zu finden, verwendest du die erwarteten Umsätze pro Jahr minus Fixkosten und teilst diese durch zwölf.
Ein zweiter Faktor, der sich auf die Höhe der Liquiditätsreserve auswirkt, ist die Höhe der Schwankungen bei deinen Einnahmen und den entsprechenden Einzahlungen – ehrlicherweise kennst du diese natürlich erst nach mindestens einem Geschäftsjahr: Schaue dir die Einzahlungen der vergangenen zwölf Monate an und errechne daraus einen monatlichen Durchschnittswert. Rechne dann gegen, wie hoch die Abweichungen jeden Monat im Vergleich zum Durchschnitt sind. Fasse die absoluten Abweichungen zusammen und teile den Wert wieder durch zwölf. Je größer der Wert, desto größer sind auch die Schwankungen – und desto üppiger sollte deine Liquiditätsreserve sein.
Liquiditätsreserven aufbauen: So gelingt’s
Auch wenn es besonders in den ersten Jahren nicht so leicht scheint, so ist der Aufbau und Erhalt von Liquiditätsreserven doch unverzichtbar. Anderenfalls droht dir, wenn es ganz dicke kommt, sogar die Insolvenz. Um dieses Risiko von Anfang an gering zu halten, solltest du zum einen deine Hausaufgaben machen und einen soliden Finanzplan sowie einen Rentabilitätsplan aufstellen. Beide Pläne sind Grundlage für einen guten Start und langfristigen Erfolg. Gleichzeitig geben sie dir auch Raum, den Aufbau deiner Liquiditätsreserve zu planen und im Lauf der Zeit immer wieder abzugleichen, ob der Plan der Realität entspricht oder ob du handeln musst.
Finanzwissen
Folgende Punkte kannst du beim Aufbau von Rücklagen nutzen:
- Eigenkapital vs. Fremdkapital: Zunächst einmal ist es immer gut, wenn deine Liquiditätsreserve aus Eigenkapital aufgebaut wird – beispielsweise, indem du zur Gründung dein privat Gespartes mitbringst und dem Unternehmen zur Verfügung stellst. Wenn dein Eigenkapital nicht ausreicht, kann es sich lohnen, über die verschiedenen Möglichkeiten der Fremdfinanzierung nachzudenken. Das können der Kredit einer Bank für bestimmte Investitionen oder öffentliche Fördergelder für die Gründung sein. Beides erhöht deine Liquidität und schont deine (privat erwirtschafteten) Rücklagen. Schau dir hierzu auch unsere Übersicht zur Finanzierung und Förderung an.
- Rechnungsstellung: Stelle Rechnungen immer sofort nach Leistungserbringung und mit möglichst kurzen Zahlungszielen. Gerade zu Beginn deiner Selbstständigkeit kann es einen großen Unterschied machen, ob du mit der Rechnungsstellung bis zum Monatsende wartest oder schon in der Monatsmitte abrechnest und ob das Zahlungsziel 14 oder 30 Tage ist. Ein Anreiz für die schnelle Bezahlung einer Rechnung kann die Gewährung eines Skontos sein – also, dass Kunden etwas weniger zahlen, wenn sie die Rechnung schnell begleichen. Aber diese Variante ist recht teuer. Je nach Branche kannst du auch Teilbeträge als Anzahlung oder Vorauszahlung in Rechnung stellen.
- Reduziere Kosten, wo immer es geht: Das können große Posten sein, wie die Miete oder die Kosten für den Fuhrpark (vielleicht genügt ein einzelner Schreibtisch in einem Co-Working-Space anstatt eines kompletten Büros oder du least deinen Firmenwagen, anstatt ihn zu kaufen). Aber auch Kleinvieh macht bekanntlich Mist: Wechsle deinen Mobilfunkanbieter, stelle dein Büro auf papierlos um (das ist ohnehin nachhaltiger) und prüfe, wo du im Privaten eventuell Abstriche machen kannst, um deine Privatentnahme bzw. deinen Unternehmerlohn zu senken.
Bedenke: „Investiere ich Gewinne in Marketing, neue Produkte und Mitarbeiter – oder lege ich Geld zurück, um meine Reserve zu steigern?“ Manchmal musst du zwischen dem Aufbau von Liquiditätsreserven und der Steigerung der Rentabilität deines Unternehmens abwägen. In den Gründungsjahren gilt: Liquiditätssicherung geht VOR Rentabilität.
Liquiditätsreserve managen
Auch beim Verwalten und Optimieren der Rücklagen sind die Liquiditäts- und Rentabilitätsplanung, die du im Zuge deines Businessplans erstellst, wichtige Steuerungswerkzeuge. Hast du erst einmal gewisse Rücklagen aufgebaut oder bist gerade dabei, solltest du dir auf jeden Fall Gedanken machen, wie du damit verfahren möchtest. Das Geldbündel unter dem Kopfkissen ist zwar schnell verfügbar – Bargeld an sich verliert aber ähnlich schnell an Wert wie das Guthaben auf einem Girokonto. Informiere dich darum über Alternativen, wie etwa ein Tagesgeldkonto. Zugegeben: Auch hier sind die Zinsen nicht wahnsinnig hoch – dafür steht das Geld schnell zur Verfügung, sobald du es benötigst. Auch die Anlage in Aktien, Fonds oder ETFs ist eine Möglichkeit, die sogar vergleichsweise rentabel sein kann. Bedenke dabei jedoch, dass der Kurs unter Umständen zum Zeitpunkt des Bedarfs so schlecht steht, dass du beim Verkauf Verluste machst. Du merkst: Es gibt verschiedene Ansätze, Kapital zu verwahren. Wichtig ist, dass dein Puffer schnell zur Verfügung steht und im besten Fall noch etwas Zinsen einbringt, während es auf seinen Einsatz wartet.
Und was ist, wenn die Reserven einmal aufgebraucht sind und du dennoch Geld benötigst? Der sogenannte Kontokorrentkredit ist ein Dispokredit für Unternehmen. Einmal bei einer Bank beantragt und eingerichtet, kannst du ihn immer wieder in Anspruch nehmen. Da bei diesem Kredit, genauso wie beim klassischen Dispokredit für Privatpersonen, im Falle der Beanspruchung hohe Zinsen anfallen, ist der Kontokorrentkredit keine dauerhafte Lösung, wenn du Geld brauchst. Für eine kurze Überbrückung finanzieller Engpässe ist er aber auf jeden Fall ein legitimes Mittel.
Fazit: Liquiditätsreserven bringen dich durch finanzielle Engpässe
Dass man immer etwas Geld auf der hohen Kante haben sollte, wussten schon unsere Großeltern – und das gilt für dich als Privatperson, aber mehr noch für dich als Gründer*in und Unternehmer*in. Denn ein finanzieller Puffer rettet dich, wenn plötzlich eine Steuernachzahlung ins Haus flattert, ein neuer/eine neue Mitarbeiter*in eingestellt wird oder schlicht ein Monat nicht komplett mit Aufträgen durchgebucht ist. Die Liquiditätsreserve sollte schon in der Gründungsphase vorhanden sein oder zumindest gezielt aufgebaut und in der Finanzplanung im Abschnitt Liquiditätsplanung in deinem Businessplan kalkuliert werden. Im besten Fall hast du ein finanzielles Polster, das es dir ermöglicht, deine Fixkosten mindestens drei bis vier Monate bezahlen zu können, ohne dass neue Einzahlungen auf deinem Konto eingehen. So kannst du einigermaßen entspannt auf neue Situationen reagieren, ohne dass du gleich mit dem Rücken zur Wand stehst. Berücksichtige bei der Verwaltung deiner Rücklagen die Anlageform, also wie schnell das Geld bei Bedarf verfügbar ist, aber auch, ob und wie gut es verzinst wird. Drohen deine Reserven zur Neige zu gehen, können einerseits Banken kurzfristig aushelfen, andererseits solltest du prüfen, ob und wo du anfallende Kosten einsparen kannst.
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