Innovative und technologiebasierte Startups beeinflussen täglich unser Leben. Sie krempeln ganze Branchen um und zeigen älteren Unternehmen neue Wege. Doch wie kommen die Gründer*innen auf diese Geschäftsideen?
Alexander Nicolai ist Professor für Entrepreneurship an der Universität Oldenburg und Leiter von Sirius Minds, einem auf die Themen Digitalisierung und Entrepreneurship spezialisierten Institut. Gemeinsam mit Regina Wallner, einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin seines Lehrstuhls, ist er mit einer Studie der Frage nach dem Ursprung der Geschäftsideen von „Unicorn“-Startups nachgegangen.
Was haben Sie genau erforscht? Durch welche Ergebnisse wurden Sie dabei am meisten überrascht?
Wir wollten wissen: Wie kommen erfolgreiche Digitalunternehmer*innen auf ihre Ideen? Dazu haben wir sogenannte Unicorns aus den USA und Europa unter die Lupe genommen. Das sind Startups, die wie Uber, Klarna oder Slack schnell eine Unternehmensbewertung von über einer Milliarde Dollar erreicht haben.
Uns hat überrascht, dass die Geschäftsideen zu den Unicorns ganz anders entstanden sind als viele Managementratgeber vermuten lassen. Trendforschung und Zukunftsszenarien spielten ebenso wenig eine Rolle wie pure Kreativität.
Welche ist die erfolgversprechendste Quelle für eine „Unicorn“-Idee - und warum?
Wir haben zunächst zufällig ausgewählte Startups untersucht, bevor wir uns den Unicorns zugewandt haben. Dabei haben wir sechs Quellen ausmachen können, aus denen Geschäftsideen typischerweise entstehen: Imitation, Prognose, Analogien, Bedarfe, Ressourcen und kreative Schöpfung.
Die Hälfte der von uns untersuchten digitalen Unicorns entstanden als Reaktion auf einen erkannten Bedarf. Meistens ging es sogar um den persönlichen Bedarf des/der Gründer*in. Ein Ärgernis, ein sehnlicher Wunsch oder ein ungelöstes Problem sind damit die wichtigsten Quellen. In einer Vergleichsgruppe mit gescheiterten Startups waren erkannte Bedarfe hingegen viel seltener Ausgangspunkt einer Gründung.
Wie innovativ muss ein Unicorn heute wirklich noch sein? Sie kommen in Ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass 76 Prozent der Unternehmen Technologie von der Stange nutzen.
Innovativ zu sein, ist wichtiger denn je. Unsere Unicorns zeigen aber deutlich, dass sich die Innovationssphäre nicht auf neue Technologien beschränkt. Erstaunlich oft verbirgt sich das Neue im Geschäftsmodell.
Zählt tatsächlich der eine „geniale“ Moment mit der einen zündenden Idee oder bringen auch „Gedankenschleifen“ geniale Geschäftsideen hervor?
Beides kommt vor. Ganz viele Gründer*innen erinnern sich noch genau an den Moment, der ihnen die Augen öffnete. Immer wieder berichten sie von Heureka- oder Aha-Erlebnissen. Andere Digitalunternehmer*innen kreisten mit ihren Überlegungen wieder und wieder um denselben Punkt. Der Begriff „Gedankenschleife“ trifft es ganz gut. Dann schälte sich die Idee schrittweise heraus. Ganz gleich, ob die Idee schlagartig oder allmählich entstand - immer spürten die Gründer*innen, dass sie etwas erblicken, was andere übersehen.
Was halten Sie von Kreativitäts-Sessions, Kreativitätsräumen etc.? Sind diese überholt?
Gerade mittelständische Unternehmen stecken oft so tief im operativen Tagesgeschäft, dass es ihnen schwerfällt, Luft zu holen und über das Thema Innovation etwas grundsätzlicher nachzudenken. Kreativitäts-Sessions helfen hier, die Routine zu durchbrechen. Solche Sessions helfen auch, sich von den Selbstverständlichkeiten der eigenen Branche zu befreien und mit einem frischen Blick auf bekannte Probleme zu blicken. Doch ich würde nicht empfehlen, alles auf die Karte Kreativität zu setzen. Wenn ein Unternehmen nur aus sich selbst schöpft und externe Impulse nicht systematisch einbindet, entwickelt es originelle Ideen ohne Bodenhaftung. Dann hat man sich kreativ ausgetobt, und am nächsten Montag ist alles wieder vergessen.
Welche Formate für die Ideenentwicklung schlagen Sie vor? Haben Sie Praxis-Beispiele?
Zu jeder der genannten sechs Ideenquellen gibt es erprobte Workshop-Formate. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, mit einem systematischen Screening von aktuellen Startup-Ideen innerhalb einer Branche zu beginnen. Die Beschäftigung mit fremden Ideen ist ein hervorragender Startpunkt für den Innovationsprozess.
Auch der sogenannte „Nightmare Competitor“-Ansatz bringt gute Resultate. Hier fragt sich ein Unternehmen, wie ein vollkommen neuartiger Wettbewerber das eigene Geschäft zerstören könnte. Aus der Beschäftigung mit einem solchen „Alptraum“ entstehen spannende Innovationsimpulse.
Der „Jobs to be done“-Ansatz eignet sich besser als klassische Marktforschung, um neue Bedarfe zu entdecken. Bei diesem Ansatz versetzt man sich in die Position der Kund*innen, um systematisch nach den Aufgaben zu fragen, die sie zu erledigen haben. Welche Punkte stehen auf ihrer To-do-Liste? Welchen Aufgaben wollen sie am liebsten aus dem Weg gehen? Der Innovationsprozess knüpft dann an diese Aufgaben an.
Die verschiedenen Techniken lassen sich gut kombinieren. Dabei sollte ein Unternehmen darauf achten, dass Innen- und Außenperspektive im Innovationsprozess gut ausbalanciert werden.
Wie wichtig sind die Persönlichkeit und die Einstellung der gründenden Person für den Erfolg eines Startups? Ist es vorteilhaft, wenn der/die Gründer*in mit der eigenen Idee ein Problem löst, das ihn/sie persönlich betrifft?
Eine tiefe Kenntnis des Kundenproblems ist in der Tat wichtig. Klar hilft es da, wenn man selbst betroffen ist, wie unsere Studie belegt. Doch mit den geeigneten Instrumenten kann man sich auch den Problemen anderer sehr gut nähern. Gerade im B2B-Bereich gibt es hier noch viel Potenzial.
Der/die Gründer*in oder das Gründungsteam sind das Herz jeder Gründung und damit ausschlaggebend für den Erfolg. Dabei dürfen die Gründer*innen nicht zu harmoniebedürftig sein. Wer innoviert, eckt an.
Vielen Dank für diesen wertvollen Einblick in Ihre Arbeit.
Die Geschäftsidee von Dennis Monner kam ihm nicht als Heureka-Moment unter der Dusche, sondern entstand dadurch, dass er ein Problem erkannte und eine Lösung dafür fand. Er entwicklete ein System, dass Firewalls einfacher macht. Bei seiner zweiten Gründung hob er die Firewall dann in die Cloud und löste damit erneut ein Problem. Beide Unternehmen verkaufte er jeweils für einen Millionenbetrag. In dieser Podcast-Folge berichtet er über die Unternehmensverkäufe und erzählt, was er dabei lernte.