Bei den Begriffen Sollversteuerung und Istversteuerung schlägst du eher die Hände vors Gesicht, statt den vollen Durchblick zu haben? Dann bist du hier genau richtig. Es handelt sich dabei um zwei Besteuerungsarten der Umsatzsteuer. Mit diesem Beitrag klären wir dich über die Soll- und Ist-Besteuerung auf, zeigen die Unterschiede und welche Besteuerung für dich die passende sein könnte.
Was ist der Unterschied zwischen der Soll- und der Ist-Besteuerung?
Die Unterschiede zwischen der Soll- und der Istversteuerung liegen vor allem im Zeitpunkt der Steuerzahlung. Bei der Sollversteuerung erfolgt die Umsatzsteuerzahlung bereits mit Ausstellung der Rechnung, unabhängig davon, ob dein*e Kund*in bezahlt hat. Im Gegensatz dazu wird bei der Istversteuerung die Umsatzsteuer erst fällig, wenn deine Kund*innen ihre Rechnungen beglichen haben.
Definition: Was heißt Sollversteuerung?
Die Sollversteuerung ist die herkömmliche Methode der Umsatzsteuer-Berechnung. Dabei wird die Umsatzsteuer mit Ausstellung der Rechnung fällig, unabhängig davon, ob dein*e Kund*in bereits bezahlt hat oder nicht. Das bedeutet, dass du als Unternehmer*in die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen musst, auch wenn die Zahlung deiner/deines Kund*in noch aussteht.
Definition: Was heißt Istversteuerung?
Im Gegensatz dazu steht die Istversteuerung. Hier wird die Umsatzsteuer dann fällig, wenn deine Kund*innen ihre Rechnungen tatsächlich bezahlt haben. Das bedeutet, dass du die Umsatzsteuer erst an das Finanzamt abführen musst, wenn das Geld auch wirklich auf deinem Konto eingegangen ist.
Beispiel: Ist- vs. Sollversteuerung
Angenommen, du betreibst ein Unternehmen für Designermöbel. Du verkaufst einen Tisch für 500 EUR. In der Soll-Besteuerung müsstest du nun die Umsatzsteuer von 95 EUR (19 % von 500 EUR) sofort nach der Rechnungsstellung an das Finanzamt abführen, unabhängig davon, ob dein*e Kund*in den Tisch bereits bezahlt hat oder nicht.
In der Ist-Besteuerung führst du die Umsatzsteuer erst dann an das Finanzamt ab, wenn der/die Kund*in tatsächlich die 500 EUR plus 95 EUR Steuer bezahlt hat. Bis das Geld bei dir eingegangen ist, bleibt die Umsatzsteuer ausstehend.
Verbessere deine Liquidität – das sind die Vorteile der Ist-Besteuerung
Es gibt einen triftigen Grund, warum du dich für die Ist-Besteuerung entscheiden solltest: Sie verbessert deine Liquidität. Du zahlst die Steuern erst, wenn das Geld auf deinem Konto gelandet ist. Das gibt dir mehr Spielraum für deine Finanzen.
- Die Ist-Besteuerung basiert auf tatsächlichen Umsätzen, was zu genaueren Steuerzahlungen führt – du führst also nur die Umsatzsteuer ab, die du tatsächlich erhalten hast
- Da die Steuern auf realen Zahlen basieren, besteht im Vergleich zur Soll-Besteuerung kein Risiko, dass du im Voraus zu viel Umsatzsteuer bezahlst
Wer kann die Istversteuerung beantragen und wie?
Die Möglichkeit zur Istversteuerung steht grundsätzlich allen Unternehmen offen, die im vorangegangenen Kalenderjahr einen Umsatz von nicht mehr als 800.000 EUR erzielt haben. Freiberufler*innen, die ihren Gewinn durch die Einnahmenüberschussrechnung ermitteln, dürfen die Ist-Besteuerung immer beantragen, unabhängig von der Höhe ihres Umsatzes.
Um von der Soll- auf die Istversteuerung zu wechseln, musst du einen entsprechenden Antrag beim Finanzamt stellen. Dieser ist sogar rückwirkend möglich. Der Antrag kann formlos stattfinden, jedoch am besten schriftlich und ist nicht an eine Frist gebunden. So machst du’s:
- Schritt 1: Sammle alle wichtigen Unterlagen, die deine echten Einnahmen belegen, wie z. B. Quittungen, Rechnungen, Kontoauszüge und Geschäftsunterlagen.
- Schritt 2: Dann gehst du zum örtlichen Steueramt oder Finanzamt und holst dir das Formular für die Beantragung der Ist-Besteuerung. Natürlich kannst du auch prüfen, ob du das Formular online ausfüllen kannst.
- Schritt 3: Überprüfe, ob du alle Unterlagen hast und nichts vergessen hast. Je nachdem, wo du bist, kann das unterschiedlich sein, aber normalerweise brauchst du Belege über Einnahmen und Ausgaben sowie Geschäftsunterlagen.
- Schritt 4: Schick deinen Antrag zusammen mit den Unterlagen zum Steuer- oder Finanzamt, per Post oder digital.
- Schritt 5: Wenn alles in Ordnung ist, wird dein Antrag bald genehmigt und du wirst für die Ist-Besteuerung eingestuft. Dann kannst du deine Steuern anhand deiner echten Einnahmen berechnen und zahlen.
Hat das Finanzamt deine Ist-Besteuerung genehmigt, gilt diese so lange, bis die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, du also z. B. mehr als 800.000 EUR Umsatz im Jahr machst.
Welche Besteuerung gilt für Existenzgründer*innen?
Wenn du kurz vor der Unternehmensgründung stehst, kannst du die Ist-Besteuerung direkt im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung beantragen. Generell lässt sich insbesondere für kleine Unternehmen sagen, dass die Istversteuerung besser geeignet ist. Denn besonders am Anfang deiner Selbstständigkeit ist deine Liquidität noch nicht sehr hoch. Wenn du dann schon Umsatzsteuer zahlen musst, ohne dass sich das Geld auf deinem Konto befindet, können schnell Liquiditätsengpässe entstehen.
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Unterschiede bei der Umsatzsteuervoranmeldung
Bei der Umsatzsteuervoranmeldung unterscheidet sich die Vorgehensweise zwischen der Ist- und Soll-Besteuerung:
Ist-Besteuerung:
Bei der Istversteuerung wird die Umsatzsteuer auf Basis der tatsächlich vereinnahmten Umsätze berechnet. Das bedeutet, dass du die Umsatzsteuer erst dann an das Finanzamt abführen musst, wenn deine ausgestellten Rechnungen beglichen wurden und du die Einnahmen erhalten hast. Die Umsatzsteuervoranmeldung erfolgt in der Regel monatlich oder quartalsweise.
In der elektronischen Voranmeldung gibst du deine tatsächlich vereinnahmten Umsätze für den entsprechenden Abrechnungszeitraum an. Darauf basierend wird die zu zahlende Umsatzsteuer berechnet und muss bis zum 10. des Monats an das Finanzamt entrichtet werden.
Soll-Besteuerung:
Befindest du dich in der Sollversteuerung, wird deine Umsatzsteuer auf Basis deiner vereinbarten bzw. erwarteten Umsätze berechnet. Das bedeutet, dass du deine Umsatzsteuer abführst, unabhängig davon, ob die Zahlungen deiner Kund*innen bereits bei dir eingegangen sind oder nicht. Auch hier erfolgt die Umsatzsteuervoranmeldung in der Regel monatlich oder quartalsweise.
Allerdings werden bei der Soll-Besteuerung die vereinbarten bzw. erwarteten Umsätze für den Abrechnungszeitraum angegeben. Bei der Voranmeldung musst du die erwarteten Umsätze sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer korrekt und vollständig angeben. Die zu zahlende Umsatzsteuer wird auf dieser Basis berechnet und muss bis zum Fälligkeitstermin an das Finanzamt entrichtet werden, unabhängig davon, ob deine Rechnungen bereits beglichen wurden oder nicht.
In beiden Fällen ist es wichtig, dass du die Umsatzsteuervoranmeldung korrekt und fristgerecht einreichst sowie die entsprechenden Zahlungen termingerecht leistest, um mögliche Mahnungen und Strafen zu vermeiden.
Wann gelten Umsätze als vereinnahmt?
Umsätze gelten als vereinnahmt, sobald das Geld tatsächlich auf dem Konto deines Unternehmens eingegangen ist. Hierbei ist das Datum des Zahlungseingangs entscheidend für die Berechnung der Umsatzsteuer.
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Wie wechselt man die Besteuerungsart?
Der Wechsel von der Ist- zur Sollversteuerung bzw. von der Soll- zur Istversteuerung erfolgt in beiden Fällen mittels eines Antrags bei deinem zuständigen Finanzamt. Sammle alle notwendigen Unterlagen, Belege und Nachweise zusammen. Welche das genau sind, kann dir deine zuständige Behörde mitteilen. Das Finanzamt wird jedoch mit Sicherheit die Höhe deines Umsatzes wissen wollen. Beim Wechsel von der Soll- zur Istversteuerung darf dieser im Vorjahr nicht höher als 800.000 EUR gewesen sein. Fülle das entsprechende Antragsformular für den Wechsel aus und reiche es beim Finanzamt ein.
Hat das Finanzamt deinen Wechsel genehmigt, ist es nun deine Aufgabe, deine Buchhaltung umzustellen. Teile auch deinem*r Steuerberater*in mit, dass deine Umsatzsteuer nun anders gezahlt wird, vorausgesetzt du hast den Wechsel nicht eh schon mit ihm/ihr zusammen vollzogen.
Fazit
Für alle Selbstständigen außer Freiberufler*innen ist die Sollversteuerung die Regel. Da du dabei aber in Vorleistung gehen musst, kann sie vor allem zu Beginn deiner Selbstständigkeit zu Liquiditätsproblemen führen.
Gerade für Gründer*innen ist die Istversteuerung daher die bessere Wahl. Denn damit führst du nur die Umsatzsteuer ab, die du bereits auf deinem Konto hast. Das bietet dir ein zusätzliches Maß an Sicherheit.
FAQ
Die Soll-Versteuerung bedeutet, dass du die Umsatzsteuer bereits zahlen musst, wenn du eine Rechnung ausstellst, egal ob dein*e Kund*in schon bezahlt hat oder nicht. Bei der Istversteuerung zahlst du die Umsatzsteuer erst, wenn dein*e Kund*in die Rechnung auch wirklich beglichen hat und das Geld auf deinem Konto eingegangen ist.
Bei der Sollversteuerung musst du die Umsatzsteuer direkt zahlen, wenn du die Rechnung ausstellst. Du gehst also in Vorleistung. Das kann vor allem bei kleinen Unternehmen zu finanziellen Engpässen führen.
Bei der Istversteuerung zahlst du die Umsatzsteuer erst, wenn dein*e Kund*in die Rechnung bezahlt hat und der Zahlungseingang stattgefunden hat. So kannst du als kleines Unternehmen finanzielle Engpässe vermeiden.
Die Istversteuerung verbessert deine Liquidität, weil du die Steuern erst zahlen musst, wenn das Geld auch wirklich bei dir eingegangen ist. Außerdem ist sie flexibler und passt sich besser an deine finanzielle Situation an.
Die Istversteuerung steht Unternehmen offen, die im vorangegangenen Jahr einen Umsatz von bis zu 800.000 EUR hatten. Für Freiberufler*innen ist die Istversteuerung immer möglich, unabhängig von ihrem Umsatz.
Die Grenze für die Anwendung der Istversteuerung liegt bei einem Umsatz von bis zu 800.000 EUR im vorangegangenen Jahr. Wenn du darüber liegst, musst du wieder zur Sollversteuerung wechseln.