Obwohl wir alle Fehler machen und Fehler völlig normal sind, werden sie noch immer als Zeichen von Schwäche und mangelnder Intelligenz gesehen. Besonders in der Arbeitswelt werden Fehler als Karrierebremse verstanden. Ihre Erwähnung und Lösung bleiben deshalb häufig aus. Dabei passieren ständig Fehler, ob wir wollen oder nicht. Es gibt so viele Redewendungen, die Fehler gutheißen: „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“, „Versuch macht klug“, „Irren ist menschlich“ etc. Es muss also etwas dran sein an dem Gedanken, dass Fehler zum Lernen da sind. Glücklicherweise verstehen das auch immer mehr Unternehmen – wie soll es sonst zu Fortschritt kommen? Als Gründer*in gehst du in deinem Unternehmen also am besten offen mit Fehlern um und beherzigst die vielen Sprichwörter, um agil zu bleiben und Innovationen nicht zu verpassen. Wie dir das gelingt und welche Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssen, erfährst du in diesem Beitrag.
Definition: Was bedeutet Fehlerkultur?
Fehlerkultur beschreibt den Umgang mit Fehlern. Es ist die Art, wie ein Unternehmen auf Fehler, Pannen und Probleme sowie auf die daraus resultierenden Folgen reagiert. Dabei gibt es sowohl die positive als auch die negative Fehlerkultur. In letzterer werden Fehler nicht besprochen, Probleme nicht gelöst und nur schuldzuweisend mit dem Finger auf andere gezeigt. In einer offenen Fehlerkultur hingegen werden Fehler als Lern- und Wachstumschance gesehen. Sie macht es möglich, Fehler zu akzeptieren und sie als Treiber für den Fortschritt im Unternehmen zu nutzen. Anstatt nach Schuldigen wird nach dem Grund gesucht. Passiert ein Fehler, wird er reflektiert und es werden gemeinsam Lösungen erarbeitet, um diesen Fehler nicht erneut zu begehen. Auch das gehört zur Unternehmensführung.
Positive Fehlerkultur: So lernst du den richtigen Umgang mit Fehlern
Doch wer ist für die Einführung einer offenen Fehlerkultur im Unternehmen verantwortlich? Ganz klar: das Management bzw. eine führende Person. Sie muss als Erste dafür bereit sein, eine positive Fehlerkultur im Leitbild zu verankern. Dafür braucht es das richtige Wissen auf der fachlichen Ebene sowie Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Mitarbeitenden. Sollen diese zu einem neuen Umgang mit Fehlern animiert werden, müssen alle Führungskräfte diese offene Fehlerkultur vorleben.
Das kannst du als Führungskraft in einer offenen Fehlerkultur tun:
- nimm deinen Arbeitnehmer*innen die Angst vor den Konsequenzen von Fehlern
- fokussiere dich darauf, den Grund für Fehler und deren Lösung zu finden
- sprich innerhalb des Teams offen über Fehler
- betrachte Fehler als Chance zum Lernen und für das Wachstum deines Unternehmens
Auch Führungskräfte machen Fehler. Daher solltest du nicht nur hinter einer offenen Fehlerkultur stehen, sondern gleichzeitig mit gutem Vorbild vorangehen. Stehe zu deinen eigenen Fehlern, kommuniziere sie ganz offen und sprich mit deinem Team darüber. Sei authentisch. Vielleicht ist sogar eine Entschuldigung nötig? Befürchte nicht, dass dich deine Mitarbeiter*innen danach weniger respektieren – ganz im Gegenteil. Ein transparenter Umgang mit Fehlern auf Seiten der Führungsebene schafft Vertrauen und Anerkennung.
Über Fehler zu sprechen, kommt deinem Unternehmen zugute
Nicht nur auf der sozialen Ebene ist der offene Umgang mit Fehlern ein großer Vorteil. Wer Fehler erkennt, über sie spricht und sie auswertet, erkennt Schwachstellen im Unternehmen und kann bessere Alternativen finden. Denn wenn über einen Fehler gesprochen wird, ist es unwahrscheinlicher, dass er sich wiederholt. Klingt logisch, oder? Egal ob es sich um interne Prozesse, Produktqualität oder die menschliche Zusammenarbeit handelt: Eine offene Fehlerkultur schafft Verbesserung. Langfristig gesehen sorgt sie dafür, dass dein Unternehmen seine Innovationskraft stärkt und wettbewerbsfähig bleibt.
Die wichtigsten Gründe für eine offene Fehlerkultur:
- deine Prozesse und Produkte werden langfristig verbessert.
- die Arbeitsmoral deiner Angestellten bleibt stabil, sie entwickeln ein starkes Selbstwertgefühl, was ihre Arbeit betrifft, und kommen gern zur Arbeit!
- größere Schäden werden vermieden, wenn Fehler direkt aufgedeckt und gelöst werden.
- die Angst vor Fehlern hemmt den kreativen Prozess in deinem Unternehmen, eine offene Fehlerkultur hingegen fördert Innovation.
- Kritik und Feedback konstruktiv äußern und annehmen zu können, ist eine wichtige soziale Komponente für gute Teamarbeit!
Tipps für eine offene Fehlerkultur
Der offene Umgang mit Fehlern und Rückschlägen ist ein langfristiger Prozess, den alle Beteiligten verstehen und immer wieder üben müssen, bis sie ihn verinnerlicht haben. Je früher damit im Team begonnen wird, desto besser. Eine offene Fehlerkultur etablierst du nicht mit einem Seminar. Der Paradigmenwechsel muss stetig und auf allen Ebenen stattfinden. Dabei wird es im Verlauf erneut zu Fehlern kommen. Auch das gehört zum Prozess dazu. Dann musst du als Führungskraft nachbessern und weiterhin als Vorbild und Motivator*in für deine Mitarbeitenden agieren.
- Analysiere deine aktuelle Fehlerkultur
Finde heraus, wie in deinem Unternehmen mit Fehlern umgegangen wird und wo sie am häufigsten vorkommen. Nur, wer den Ist-Zustand kennt, kann einen Soll-Zustand erreichen. - Sei ein Vorbild und schaffe eine vertrauensvolle Atmosphäre
Eine positive Fehlerkultur funktioniert nur, wenn du selbst Fehler eingestehst, sie offen ansprichst und wenn dein Team dich angstfrei auf deine Fehler hinweisen kann. - Suche nicht den Sündenbock
In einer offenen Fehlerkultur ist es nebensächlich, WER einen Fehler begangen hat. Konzentriere dich auf den Fehler selbst, statt nach Schuldigen zu suchen und sie bestrafen zu wollen. Deine Aufgabe ist es, den Fehler und seine Ursache zu finden und eine Lösung zu erarbeiten. - Löse das Problem zeitnah
Tritt ein Fehler auf, so schiebe die Problemlösung nicht auf die lange Bank, sondern bemühe dich, so schnell wie möglich eine Lösung zu finden. - Nimm weitere Fehler in Kauf
Es ist nicht gesagt, dass die erste Lösung für einen Fehler sofort die richtige ist. Akzeptiere, dass im Prozess der Problemlösung weitere Fehler gemacht werden können – übermäßige Kontrolle ist hier fehl am Platz. Es kann einige Fehler dauern, bis eine ideale Lösung gefunden ist, und es darf durchaus experimentiert werden. - Sei nicht emotional
Egal wie ärgerlich der begangene Fehler ist – versuche, deine Emotionen auszublenden und bleibe sachlich. Schäme dich nicht für deine eigenen Fehler und bestrafe Angestellte nicht mit Sanktionen, Ignoranz oder schlechter Laune. Damit ist keinem geholfen. - Baue auf dein Team
Sich eine offene Fehlerkultur zu erarbeiten, ist kein Einzelkampf, sondern Teamwork. Binde all deine Mitarbeitenden in den Prozess mit ein und frage um Rat und Hilfe, wenn es nötig ist.
Fehlermanagement – eine offene Fehlerkultur ist die Grundlage
Die vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb deines Teams bildet den Boden für gutes Fehlermanagement. Routinen im Umgang mit Fehlern sorgen dafür, Fehlerquellen zukünftig besser zu identifizieren (Fehlererkennung), ihre Ursachen zu verstehen (Fehlerdiagnose), sie zu beheben (Fehlerkorrektur) und langfristig vorzubeugen (Fehlerprävention).
Ein erfolgreich umgesetztes Fehlermanagement trägt dazu bei, dass:
- deine Mitarbeitenden mehr Gefühl und Sensibilität für ihre eigene Arbeit im Rahmen eurer Zusammenarbeit und Unternehmenswerte haben
- du weniger Schäden zu verzeichnen hast und kostenschonender arbeitest
- dein Unternehmen sich am Markt behaupten kann
Auch nach außen hat gutes Fehlermanagement nur Vorteile. Deine Kunden sind zufriedener, weniger Reklamationen sind nötig. Unternehmen, die sich ihre Fehler eingestehen, diese offen kommunizieren und Reue zeigen, haben weitaus weniger Ärger zu befürchten als jene, die ihre Fehler zu verschleiern versuchen. Gutes Fehlermanagement kann sich also positiv auf das Image eines Unternehmens auswirken und auf deine Kundenbindung.
Ein Beispiel für gutes Fehlermanagement ist das Kaizen-Prinzip. Dieses Prinzip besagt, dass in Unternehmen jeden Tag irgendeine Verbesserung vorgenommen werden kann – in kleinen Schritten und kontinuierlich. Das fängt schon damit an, dass täglich benutzte Arbeitsgeräte in Griffweite platziert oder für komplexe Aufgaben Checklisten oder Prozessbeschreibungen erstellt werden, damit niemand danach suchen muss und Zeit verliert. Beim Kaizen-Prinzip sollen alle Mitarbeitenden ihre Tätigkeiten immer wieder kritisch hinterfragen, ihre Arbeitsweise stetig verbessern und Veränderungsvorschläge jederzeit offen einbringen. Damit ist Kaizen vielmehr eine Denkweise, die ein Unternehmen verinnerlichen kann, als eine einzelne Methode.
Beispiel für die Etablierung einer offenen Fehlerkultur
Es gibt nicht den einen richtigen Weg, um eine offene Fehlerkultur im eigenen Unternehmen zu etablieren. Aber Routinen, Prozesse und eine transparente Kommunikation unterstützen dabei. Tausche dich mit dir bekannten Unternehmen aus, bei denen eine offene Fehlerkultur schon gelebt wird, und lerne von anderen. Die agile Arbeitsmethode SCRUM beinhaltet z.B. eine Sprint-Retrospektive, in der vor Start eines neuen Sprintprozesses Verbesserungen im Team besprochen werden. Dadurch können Maßnahmen vereinbart werden, um Abläufe oder die Kommunikation Schritt für Schritt bzw. Sprint für Sprint zu verbessern und gemeinsam dazuzulernen. Das VOPA-plus-Modell ist im Bereich Digital Leadership angesiedelt und beschreibt, wie durch eine Kombination aus Vernetzung, Offenheit, Partizipation, Agilität plus Vertrauen – in dich selbst und dein Team – hierarchische Strukturen abgebaut werden können. (Digitale) Tools, um Ziele und Arbeitsschritte zu dokumentieren oder interne Umfragen durchzuführen, können Transparenz schaffen.
Stell dir einmal Berufsbranchen mit einem hohen Risiko ohne offene Fehlerkultur vor. Würden sich die Kolleg*innen nicht gegenseitig auf Fehler hinweisen und diese anschließend sachlich auswerten, so würden ständig Unglücke geschehen. Gute Impulse für eine positive Fehlerkultur kommen etwa aus der Luftfahrt. Pilot*innen lernen, sich einander ruhig und sachlich auf Fehler aufmerksam zu machen. Als Reaktion erhalten sie ein Dankeschön. In der Vergangenheit hätten Abstürze verhindert werden können, wenn Probleme und mögliche Lösungen bei den verantwortlichen Personen angekommen wären. Heute gehört das gegenseitige Feedback unter allen Crewmitgliedern zur Regel.
Welche Folgen hat eine negative Fehlerkultur?
- Du verlierst den Respekt und die Anerkennung deines Teams
- Die Angst vor Fehlern schwächt das Innovationspotenzial deines Unternehmens
- Deine Mitarbeitenden sind nicht in der Lage, Veränderungen und Fortschritt voranzutreiben
- Das Arbeitsklima ist geprägt von Angst, Lügen, Verschleierungen und gestressten Angestellten
- Die Leistungsfähigkeit deiner Mitarbeitenden sinkt, da sie aus Angst, zu versagen oder Fehler zu begehen, nicht ihr volles Potenzial entfalten können
- Deine Mitarbeitenden fühlen sich nicht an dein Unternehmen gebunden, du verlierst dadurch wertvolle Fachkräfte an die Konkurrenz
- Eine negative Fehlerkultur führt zu negativem Leistungsdruck, das ist purer Stress und ungesund
- Wer aus Angst vor Bestrafung und böser Kritik keine Fehler zugibt, ist nicht mehr risikobereit und eingeschränkt in seinen Leistungen, das hemmt den Erfolg deines Unternehmens
Fazit
Klar ist, dass der konstruktive Umgang mit Fehlern in einem Unternehmen enorm wichtig ist. Nur so besteht die Chance, sich zu verbessern. Eine offene Fehlerkultur gehört zu den Grundvoraussetzungen für Erfolg und Wachstum eines Unternehmens. Gleichzeitig bleiben Mitarbeitende motiviert, da sie keine Angst haben müssen, Fehler zu machen. Fehler sind kein Zeichen des Versagens und deine Mitarbeitenden sind nicht weniger intelligent, wenn sie Fehler machen. Fehler passieren, und das ist auch gut so – wenn man im Anschluss offen mit ihnen umgeht! Denn nur, wer Fehler macht, kann aus ihnen lernen. Für Führungskräfte ist das Vorleben einer offenen Fehlerkultur essenziell, um ein harmonisches Arbeitsklima zu schaffen. Es kann sogar helfen, Fehler mit einer gewissen Leichtigkeit zu nehmen. Du bist damit schließlich nicht allein.
Hörempfehlung: Wie du mit Fehlern umgehst, hat sehr viel mit deinem Mindset zu tun. Und genau darum geht es in dieser Podcast-Folge mit Dr. Kirsten Mikkelsen. Jan berichtet im Podcast, wieso er erstmal 10.000 Euro ausgeben musste, bis er verstand, dass gute Laune verbreiten Chefsache ist – und wie das ihn und die Arbeitsatmosphäre verändert hat. Die beiden sprechen über ihre persönlichen Erfahrungen und Situationen, in denen kleine Life-Hacks ihnen oder anderen geholfen haben, positiver mit herausfordernden Themen umzugehen.