Insolvenzver­schleppung

Für wen das Thema relevant ist und wie sie sich vermeiden lässt

„Insolvenzverschleppung: Becker vor Gericht“ (ZDF) oder: „Schlecker-Kinder – erst Pleite, dann Haft“ (Spiegel) – Schlagzeilen wie diese führen immer wieder zu Verunsicherung und Ängsten. Viele Gründer*innen fragen sich, ob und welche Strafen ihnen drohen, falls die Geschäfte deutlich schlechter laufen sollten als erwartet.   

Warum die Sorge vor einer Gefängnisstrafe meist völlig unbegründet ist und was es mit dem Tatbestand der Insolvenzverschleppung wirklich auf sich hat, erklären wir dir in diesem Artikel.  

Insolvenzverschleppung – für die meisten Selbstständigen kein Thema

Falls auch du dich sorgst, können wir dich beruhigen: Die meisten Selbstständigen können die Straftat der Insolvenzverschleppung gar nicht begehen. Nur für Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften besteht die Pflicht, bei einer ernsten Schieflage des Unternehmens rechtzeitig Insolvenz anzumelden, und nur sie machen sich der Insolvenzverschleppung schuldig, wenn sie dies nicht tun. Für alle anderen ist die Firmeninsolvenz lediglich eine Option, die sie ergreifen können – aber nicht müssen. 

Wenn du dich also mit einem Einzelunternehmen oder eine Personengesellschaft selbstständig machst, bist du in dieser Hinsicht auf der sicheren Seite, weil bei diesen Rechtsformen per Gesetz keine Insolvenzantragspflicht besteht. 

Und selbst, wenn du eine GmbH oder eine UG gründen möchtest oder bereits gegründet hast, stehst du noch lange nicht mit einem Bein im Gefängnis. Denn Gefängnisstrafen drohen in der Regel nur, wenn durch die Insolvenzverschleppung viele andere Menschen zu Schaden gekommen sind. Sie schaffen es gerade deshalb in die Schlagzeilen, weil sie so selten sind und häufig auf spektakuläre Firmenpleiten folgen.  

Aber schauen wir uns doch mal genauer an, was mit Insolvenzverschleppung eigentlich gemeint ist. Denn darüber herrscht in der Öffentlichkeit sehr viel Unklarheit. 

Was ist Insolvenzverschleppung eigentlich genau?

Insolvenzverschleppung ist eine Straftat, die vorliegt, wenn eine Kapitalgesellschaft (z. B. eine GmbH) zahlungsunfähig oder überschuldet ist und die Verantwortlichen den Insolvenzantrag nicht rechtzeitig oder gar nicht stellen. Die Antragspflicht gilt für Geschäftsführer*innen, Vorstände und andere gesetzliche Vertreter*innen der Gesellschaft. 

Insolvenzverschleppung kann schwerwiegende Folgen haben, und zwar sowohl für den*die Schuldner*in als auch für die Gläubiger*innen. Letztere bleiben nämlich auf ihren Rechnungen sitzen und müssen in der Folge unter Umständen selbst eine Unternehmensinsolvenz anmelden. Meldet man hingegen rechtzeitig Insolvenz an, besteht oft die Möglichkeit, ein Unternehmen noch zu sanieren oder zu verkaufen. Viele Unternehmer*innen können jedoch in der Krise nur schwer loslassen oder empfinden den Insolvenzantrag als ein persönliches Scheitern. Oft halten sie sich an der Hoffnung fest, durch den nächsten großen Auftrag doch noch aus der Schieflage zu gelangen. Hinzu kommt die Angst, das Unternehmen im Falle einer Insolvenz nicht fortführen zu können. Auch dies ist ein weitverbreiteter Irrglaube. Eine Fortführung des Unternehmens ist mit Zustimmung des Insolvenzverwalters oder der Insolvenzverwalterin oft möglich und der Schaden für die Gläubiger*innen kann mit einer rechtzeitigen Antragstellung begrenzt werden.  

Wenn du also als Geschäftsführer*in einer GmbH oder UG tätig bist und deine Firma nicht mehr zahlungsfähig ist, musst du innerhalb von höchstens drei Wochen einen Insolvenzantrag stellen (bei Überschuldung hast du sechs Wochen Zeit, wobei dieser Zeitraum eventuell bald auf acht Wochen verlängert werden soll). Diese Fristen sind gesetzlich vorgeschrieben. Lässt du sieverstreichen, machst du dich der Insolvenzverschleppung strafbar. 

Wann gilt die Insolvenzantragspflicht?

Alle, die sich für die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft entschieden haben, sollten wissen, dass sie innerhalb von wenigen Wochen einen Insolvenzantrag stellen müssen, sobald einer der drei Gründe eintrifft, die nach der deutschen Insolvenzordnung (InsO) eine Insolvenzantragspflicht auslösen können. Diese Gründe sind: Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.  

Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfähigkeit

Ein Unternehmen ist zahlungsunfähig, wenn es nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Das bedeutet, dass die Schulden des Unternehmens höher sind als die vorhandenen liquiden Mittel, also das verfügbare Geld, das zur Begleichung der Schulden genutzt werden kann (§ 17 Abs. 2 InsO). Vereinfacht gesagt, wenn Rechnungen nicht mehr gezahlt werden können.

Insolvenzantragspflicht bei drohender Zahlungsunfähigkeit

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn eine Firma in absehbarer Zeit zahlungsunfähig werden wird (§ 18 Abs. 2 InsO). Es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass in naher Zukunft nicht mehr alle Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden können, auch wenn dies aktuell noch nicht der Fall ist. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen. 

Eine drohende Zahlungsunfähigkeit kann z. B. bestehen, wenn ein wichtiger Kunde wegfällt oder Zahlungen ausbleiben, wenn die Umsätze deutlich zurückgehen oder der Betrieb unvorhergesehene Kosten hat.  

Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung

Eine Überschuldung gemäß § 19 Abs. 1 InsO liegt vor, wenn das Vermögen eines Unternehmens die bestehenden Schulden nicht mehr deckt und auch keine Aussicht auf Besserung besteht. Dabei umfasst das Vermögen des Unternehmens unter anderem Bargeld, Grundstücke, Maschinen oder auch Forderungen gegenüber Dritten. Ist die Summe der Schulden höher als die Summe aller Vermögenswerte, spricht man von Überschuldung. 

Eine Überschuldung kann beispielsweise durch Verluste, Abschreibungen oder auch durch den Wegfall wichtiger Kund*innen entstehen. Die Geschäftsführung muss dann innerhalb von sechs Wochen einen Insolvenzantrag stellen, wenn sie keine Insolvenzverschleppung begehen will. 

Fristen – wann muss Insolvenz angemeldet werden?

Die Insolvenzantragsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der jeweilige Insolvenzgrund eingetreten ist. Es spielt dabei keine Rolle, wann die Verantwortlichen tatsächlich gemerkt haben, dass einer der drei Insolvenzgründe eingetreten ist. Es zählt nur, wann sie es hätten merken können oder müssen! Ab diesem Zeitpunkt läuft die Frist. Wie viel Zeit für das Stellen des Insolvenzantrags bleibt, hängt vom jeweiligen Insolvenzgrund ab:  

  •  Bei drohender Zahlungsunfähigkeit beträgt die Frist drei Wochen (gemäß § 18 Abs. 2 InsO). 
  • Bei Zahlungsunfähigkeit beträgt die Frist drei Wochen (gemäß § 15a InsO). 
  • Bei Überschuldung beträgt die Frist derzeit sechs Wochen (gemäß § 19 Abs. 2 InsO). 

 Es ist wichtig zu beachten, dass die Fristen sehr kurz sind und auch eine verspätete Insolvenzantragsstellung als Insolvenzverschleppung gewertet werden kann. Deshalb solltest du bei den ersten Anzeichen von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung umgehend handeln und dir fachkundige Beratung holen. Spezialisierte Anwaltskanzleien, Steuerberatungsbüros oder auch deine Berufskammer können dir weiterhelfen. 

Strafen für Insolvenzverschleppung

Insolvenzverschleppung kann ernste strafrechtliche Konsequenzen haben. Wenn du als Geschäftsführer*in einer Kapitalgesellschaft trotz Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keinen Insolvenzantrag stellst, kannst du gemäß § 15a InsO mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft werden. 

Die Strafen können in schweren Fällen sogar noch höher ausfallen. Wenn durch die Insolvenzverschleppung weitere Gläubiger*innen benachteiligt oder Vermögenswerte vernichtet werden, drohen sogar Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren. In den allermeisten Fällen werden jedoch lediglich Geldstrafen verhängt. Was aber auch droht und eher wahrscheinlich ist: dass bei einer Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung ein Geschäftsführerverbot ausgesprochn wird (§ 6 GmbHG und § 76 AG). 

Insolvenzverschleppung ist deshalb strafbar, weil sie eine Gefahr für die Gläubiger*innen darstellt. Der Gesetzgeber möchte die Gläubiger*innen schützen und eine gerechte Verteilung des vorhandenen Vermögens von insolventen Schuldner*innen gewährleisten. Das ist auch gut für dich, denn dadurch sind auch deine Forderungen gegenüber anderen Unternehmen geschützt.  

Häufig werden in Fällen von vorsätzlicher schwerer Insolvenzverschleppung viele andere Unternehmen mit in den Ruin gerissen. Ohne die entsprechenden Paragrafen in der InsO müssten sie dann womöglich tatenlos mit ansehen, wie ihre ehemaligen Geschäftspartner*innen ihre GmbH einfach liquidieren, aber ansonsten keine ernsten Konsequenzen zu erleiden haben – während sie selbst womöglich vor den Trümmern ihrer Existenz stehen. Genau um das zu verhindern, wurde der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung für Geschäftsführer*innen von Kapitalgesellschaften bei Regelinsolvenzen eingeführt. Das Insolvenzverfahren birgt außerdem auch die Chance, mithilfe des Insolvenzverwalters oder der Insolvenzverwalterin das Unternehmen zu retten.  

Die Strafen für Insolvenzverschleppung sollen abschreckend wirken und sicherstellen, dass Unternehmen rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen – auch und gerade, wenn sie nicht persönlich für die Schulden ihres Unternehmens haften. Dadurch kann die Insolvenzordnung ihre Schutzfunktion für die Gläubiger*innen erfüllen. 

Vorsätzliche oder fahrlässige Insolvenzverschleppung – macht das einen Unterschied?

Wie so oft gilt auch beim Thema Insolvenzverschleppung: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Auch wenn die Geschäftsführung noch so glaubhaft versichert, dass sie überfordert war und nicht gemerkt hat, wie schlecht es um das Unternehmen steht, kann ihr Insolvenzverschleppung zur Last gelegt werden. Aber es macht beim Strafmaß einen großen Unterschied, ob die Verantwortlichen dabei vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. 

Eine vorsätzliche Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn die Insolvenzantragspflicht bewusst und absichtlich missachtet wurde. Hierzu gehören Fälle, in denen die Geschäftsführung die finanzielle Lage des Unternehmens bewusst verschleiert hat, um den Insolvenzantrag zu vermeiden oder hinauszuzögern. Eine fahrlässige Insolvenzverschleppung liegt hingegen vor, wenn die Insolvenzantragspflicht zwar nicht bewusst, aber dennoch schuldhaft missachtet wurde. Hierzu gehören Fälle, in denen die Geschäftsführung die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht richtig eingeschätzt oder unzureichend überwacht hat. Zwar können auch in diesem Fall Strafen verhängt werden, aber diese sind in der Regel niedriger als bei einer vorsätzlichen Insolvenzverschleppung. Häufig wird zum Beispiel infolge einer verspäteten Antragsstellung dem Schuldner oder der Schuldnerin die Restschuldbefreiung versagt. 

Unabhängig davon, ob die Insolvenzverschleppung vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt ist, können die Gläubiger*innen Schadensersatzansprüche geltend machen. Sie können also verlangen, dass der Schaden, den sie durch die Insolvenzverschleppung erlitten haben, ausgeglichen wird.  

Insolvenzverschleppung vermeiden: Tipps für Gründer*innen

Die Angst, wegen Insolvenzverschleppung ins Gefängnis zu müssen, ist in den allermeisten Fällen unbegründet. Wenn du Vertretungsorgan einer Kapitalgesellschaft bist und die folgenden Tipps beherzigst, brauchst du dir dahingehend keine Sorgen zu machen: 

1. Keine Panik

Unser wichtigster Tipp: Lass dich nicht vom Thema Insolvenzverschleppung um den Schlaf bringen. Und lass dich schon gar nicht davon abhalten, deinen Traum von der Selbstständigkeit wahrzumachen. Bevor jemand ins Gefängnis wandert, muss er oder sie andere um ihr Geld betrogen haben, und zwar um größere Summen. In den meisten Fällen droht eher ein Geschäftsführerverbot, eine Versagung der Restschuldbefreiung oder allenfalls eine Geldstrafe. 

2. Hilfe suchen

Wichtig ist, dass du rechtzeitig erkennst, wann du handeln musst. Hol dir so früh wie möglich Rat und Hilfe, wenn dein Betrieb ins Schlingern gerät. Das ist auch dann eine gute Idee, wenn du gar nicht insolvenzantragspflichtig bist! Es gibt viele Anlaufstellen für Gründer*innen und Unternehmer*innen in einer wirtschaftlichen Schieflage, und einige von ihnen sind sogar kostenlos (wenn du in Hamburg lebst oder arbeitest, kannst du zum Beispiel die kostenfreie telefonische Beratung von InStart in Anspruch nehmen).   

3. Finanzen im Blick behalten

Um früh einschätzen zu können, wie es um dein Unternehmen steht, benötigst du eine Liquiditätsplanung. Sie zeigt dir, wie sich dein Kontostand in den kommenden Wochen und Monaten entwickelt und ist ein wichtiges Frühwarnsystem für Unternehmen. Wie eine Liquiditätsplanung genau aussieht und wie du sie erstellst, erfährst du in unserem Ratgeber Liquiditätsplanung: Mach es dir nicht zu kompliziert.  

4. Früh aktiv werden

Wenn Unternehmer*innen krachend scheitern, liegt das häufig daran, dass sie die Krise zu lange ignoriert haben. Du machst diesen Fehler nicht! Sobald es hakt, überlegst du, wie du gegensteuern kannst. Anstatt dich vor Scham zurückzuziehen, wirst du aktiv. Du sprichst offen mit deiner Familie und deinen Mitarbeiter*innen und gehst auf deine Gläubiger*innen zu, sobald du einen Liquiditätsengpass erkennen kannst. Denk dran: Eine Insolvenz ist keine Katastrophe, sondern kann eine Chance sein, aus Fehlern zu lernen und einen unternehmerischen Neustart hinzulegen.

Fazit

Insolvenzverschleppung ist eine Straftat, die zu einem Geschäftsführerverbot führen, die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben oder sogar mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet werden kann. Allerdings können nur die Geschäftsführer*innen von Kapitalgesellschaften sich schuldig machen.  

Aber unabhängig davon, ob du insolvenzantragspflichtig bist oder nicht, solltest du immer deine Zahlungsfähigkeit im Blick behalten und rechtzeitig einen Insolvenzantrag stellen, wenn du eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung feststellst und keine Besserung in Sicht ist. 

Keine Angst: Eine Insolvenz muss nicht das Ende deiner unternehmerischen Karriere bedeuten. Viele erfolgreiche Unternehmer*innen haben schon einmal eine Pleite erlebt und daraus gelernt. Eine Firmeninsolvenz bietet auch die Chance, Fehler zu korrigieren und neue Ideen zu entwickeln. 

Wichtig ist, dass du dich deinen Problemen nicht allein stellst, sondern dir professionelle Hilfe suchst. Es gibt viele Beratungsangebote und Netzwerke für gefährdete Unternehmer*innen, die dir Unterstützung und Tipps geben können. Außerdem solltest du dich nicht schämen oder verstecken, sondern offen mit deinen Gläubiger*innen, Mitarbeiter*innen und Kund*innen kommunizieren. 

Wenn du dich an die gesetzlichen Vorgaben hältst und verantwortungsvoll handelst, brauchst du dir um das Thema Insolvenzverschleppung keine Sorgen zu machen und kannst entspannt und zuversichtlich deiner Zukunft als Gründer*in entgegensehen. 

Genug gelesen?
Dann leg los!

Lass dir den Weg weisen...

Willst du sofort gründen?
(heißt: Du bist in der Lage, deinen Plan direkt in die Tat umzusetzen)

Wie hat dir diese Seite gefallen? Über 7.000 Nutzer haben uns bereits mit

von 5 möglichen Sternen bewertet. Bewerte auch du uns!

bhp