Pflicht­versicherung für Selbstständige

Was für dich und deine Branche gilt

Wer sich selbstständig macht, geht finanzielle Risiken ein. Einige von diesen gelten als so gravierend, dass der Staat ihre Absicherung zur Pflicht gemacht hat. Während z. B. eine Kranken- und Pflegeversicherung in Deutschland für alle Angestellten und Selbstständigen vorgeschrieben ist, gibt es andere Versicherungen, die nur für bestimmte Berufe vorgeschrieben sind. Hier erfährst du, welche Versicherungen das sind und was du in deiner jeweiligen Branche beachten musst. Außerdem verraten wir dir, wie du herausfinden kannst, welche Risiken Selbstständige und Freiberufler*innen unbedingt absichern sollten, selbst wenn es nicht Pflicht ist. 

Wer gilt als selbstständig und muss sich pflichtversichern?

Selbstständig sind alle, die ihr eigenes Unternehmen gegründet haben, auf Rechnung arbeiten und selbst über ihre Tätigkeit sowie Arbeitsort und -zeit bestimmen. Selbstständige entscheiden, welche Aufträge sie annehmen und welche nicht, sind nicht weisungsgebunden und einzig davon abhängig, dass ihre Kundschaft zufrieden ist und ihre Rechnung bezahlt.

Wer sich selbstständig machen möchte, tut dies entweder freiberuflich oder gewerblich. Das letzte Wort darüber, welcher Gruppe du angehörst, hat das Finanzamt. In unserem Artikel zum Thema Freiberufler*in werden findest du eine Liste der freien Berufe, aber da gibt es auch immer wieder Sonderfälle. Als Freiberufler*in musst du, im Gegensatz zu Gewerbetreibenden, keine Gewerbesteuer abführen.

Ob und welche Pflichtversicherungen Selbstständige abschließen müssen, hängt von der Branche ab, in der sie tätig sind. Für einige Berufe gilt nur die Kranken – und Rentenversicherungspflicht, andere müssen aufgrund des höheren finanziellen Risikos z. B. auch eine Berufshaftpflicht- oder Vermögensschadenhaft­pflichtversicherung abschließen. 

Was ist eine Pflichtversicherung für Selbstständige?

Der Begriff Pflichtversicherung sagt zunächst nichts anderes, als dass bestimmte Versicherungen Pflicht sind. Für wen diese Pflicht gilt und wer welche Versicherung abschließen muss, ist entweder gesetzlich vorgeschrieben oder wird von der jeweiligen Standeskammer festgelegt. In Standeskammern organisieren sich bestimmte Berufsgruppen, für die auch eine Kammerpflicht gilt. Es gibt zum Beispiel die Handwerkskammer, die Industrie- und Handelskammer, Architekten- und Juristenkammer oder die Ärztekammer. Diese Kammern haben eigene Versorgungswerke, über die ihre Mitglieder abgesichert werden. Wenn du also einen kammerpflichtigen Beruf ausübst, musst du dich bei deiner Standeskammer melden und wickelst bestimmte Pflichtversicherungen (meist für Altersvorsorge und Beruf-/Erwerbsunfähigkeit) über sie ab.

Die fünf häufigsten Pflichtversicherungen für Selbstständige stellen wir dir in den nächsten Abschnitten vor. Für manche Berufe gibt es allerdings noch sehr spezifische Sonderversicherungen,  wie etwa eine Frachtführerversicherung. Deshalb solltest du dich unbedingt darüber informieren, ob es solche Versicherungen auch für deine Tätigkeit gibt.

Kranken- und Pflegeversicherung

Eine Kranken- und Pflegeversicherung müssen alle Selbstständigen abschließen. Du kannst dich entweder privat versichern oder freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse werden. Eine freiwillige Krankenversicherung geht aber nur, wenn du zuvor schon als Arbeitnehmer*in gesetzlich versichert warst. Bist du in der gesetzlichen Krankenversicherung, wirst du automatisch auch pflegeversichert. Entscheidest du dich hingegen für eine private Krankenversicherung, musst du die Pflegeversicherung zusätzlich abschließen.

Rentenversicherung

Die gesetzliche Rentenversicherung ist nur für bestimmte Selbstständige eine Pflichtversicherung. Dazu zählen:

  • Handwerker*innen und Hausgewerbetreibende
  • Hebammen und Entbindungspfleger*innen
  • Künstler*innen und Publizist*innen
  • Selbstständige in Bildungsberufen wie Lehrer*innen und Erzieher*innen
  • Pfleger*innen
  • Seelots*innen und Küstenschiffer*innen.

Bist du nicht zur Rentenversicherung verpflichtet, kannst du diese Pflicht jedoch beantragen. Das ist in den ersten fünf Jahren nach der Gründung möglich, gilt dann aber für die gesamte Zeit der Selbstständigkeit. Ein Vorteil: Du bekommst Anspruch auf staatlich geförderte Vorsorgeformen wie die Riesterrente. Alternativ hast du die Möglichkeit, eine freiwillige Rentenversicherung abzuschließen. Welche Modelle sich lohnen, erfährst du in unserem Ratgeber zur Altersvorsorge für Selbstständige.

Unfallversicherung

In manchen Berufen ist das Unfallrisiko höher als in anderen. Eine Unfallversicherung schützt dich vor den finanziellen Folgen eines Unfalls. Per Gesetz vorgeschrieben ist sie für folgende Berufsgruppen:

  • Hausgewerbetreibende
  • Küstenschiffer*innen und -fischer*innen
  • landwirtschaftliche Unternehmer*innen
  • einige im Gesundheitswesen tätige Selbstständige

Bist du Mitglied einer Standeskammer, kann es sein, dass diese dir eine Unfallversicherung vorschreibt. Informiere dich darüber am besten direkt bei deiner Kammer. In unserem 

Behördenwegweiser findest du alle Informationen und die Kontaktdaten zu den Kammern und Behörden in deiner Region.

Berufshaft­pflichtversicherung

Mit einer Berufshaftpflichtversicherung sicherst du dich gegen Personen-, Sach- und Vermögensschäden ab. Sie ist vor allem für Selbstständige in beratenden und planenden Berufen Pflicht – zum Beispiel für:

  • Ärzt*innen
  • Apotheker*innen
  • Psychotherapeut*innen
  • Ingenieur*innen
  • Architekt*innen
  • Rechtsanwält*innen
  • Notar*innen
  • Steuerberater*innen
  • Wirtschaftsprüfer*innen
  • Versicherungsmakler*innen

Berufshaftpflichtversicherungen werden auch speziell für bestimmte Berufsgruppen angeboten, sodass sie den individuellen Bedürfnissen entsprechen, die eine Tätigkeit mit sich bringt.

Vermögensschadenhaft­pflichtversicherung

Entsteht einem Auftraggeber durch einen Fehler deinerseits ein finanzieller Schaden, kann er Schadenersatz von dir fordern. Für solche Fälle sicherst du dich mit einer Vermögensschadenhaft­pflichtversicherung ab. Eine Pflichtversicherung ist sie für Selbstständige, die typischerweise hohe finanzielle Risiken eingehen müssen. Dazu zählen:

  • Immobilien- und Hausverwalter*innen
  • Treuhänder*innen
  • Inkassobüros
  • Rechtsdienstleistende
  • Zwangsverwalter*innen
Papierschnitt eines Schutzschildes

Pflichtversicherungen für Selbstständige nach Branche

Du möchtest wissen, welche Pflichtversicherungen du als Selbstständige*r in deiner Branche benötigst? Hier findest du die wichtigsten Branchen aufgelistet, in denen es verpflichtende Versicherungen gibt. Gehörst du einer Standeskammer an, solltest du dich außerdem bei ihr erkundigen, welche Versicherungen sie dir darüber hinaus vorschreibt. 

Heilende Berufe

Selbstständige, die einen Heilberuf ausüben, sind zum Beispiel Ärzt*innen, Apotheker*innen, Pfleger*innen und Entbindungspfleger*innen. Bis auf die klassischen Pfleger*innen müssen sie alle eine Berufshaftpflicht abschließen. Hebammen sind von dieser Pflicht ausgenommen, wenn sie keine aktive Geburtshilfe leisten, sondern zum Beispiel nur die Nachbetreuung von Mutter und Kind übernehmen. 

Kranken- und Entbindungspfleger*innen sind außerdem zum Abschluss einer Rentenversicherung verpflichtet. Apotheker*innen benötigen zusätzlich eine Produkthaftpflichtversicherung und, falls sie Medikamente zum Versand anbieten, eine Transportversicherung.

Handwerk

Wer einen handwerklichen Beruf ausübt, muss eine Rentenversicherung abschließen. Das gilt zumindest, wenn die Person Mitglied der Handwerkskammer ist. Hausgewerbetreibende*r brauchen zusätzlich eine Unfallversicherung. Weitere Versicherungen wie die Berufshaftpflicht sind zwar nicht verpflichtend, aber womöglich sinnvoll.

Planende Berufe

Ingenieur*innen, Architekt*innen und alle anderen Selbstständigen, die große Projekte planen, benötigen eine Berufshaftpflichtversicherung. Planungsfehler passieren schließlich immer wieder und können richtig teuer werden. Vor diesen Kosten schützt dich eine Berufshaftpflichtversicherung.

Bildung und Erziehung

Für selbstständige Erzieher*innen und Lehrende besteht eine Rentenversicherungspflicht – zumindest, solange sie mehr als 450 EUR im Monat verdienen und keine Angestellten haben. Wenn du dir also nur nebenberuflich ein paar Euro dazuverdienst, ist das kein Problem. 

Als Lehrende können auch Nachhilfelehrer*innen, Musik- und Sporttrainer*innen oder Coaches gelten. Hier kommt es ganz darauf an, in welche Berufsgruppe dich das Finanzamt einteilt.

Beratende Berufe

Wer andere berät, kann dabei auch Schaden verursachen. Deshalb ist die Berufshaftpflichtversicherung auch für viele beratende Selbstständige eine Pflichtversicherung. Klassische Beispiele sind Rechtsanwält*innen, Notar*innen, Steuerberater*innen, Wirtschaftsprüfer*innen, Finanzanlagenberater*innen oder Versicherungsmakler*innen. Manchmal ist lediglich eine Vermögensschadenhaft­pflichtversicherung vorgeschrieben.

Künstler*innen

Künstler*innen und Publizist*innen benötigen eine Rentenversicherung. Sie haben allerdings die Möglichkeit, sich über die Künstlersozialkasse (KSK) zu versichern. Dann zahlen sie für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung jeweils nur die Hälfte – entsprechend dem Arbeitnehmeranteil bei Angestellten. Die andere Hälfte übernimmt die Kasse. Das Geld kommt aus Steuereinnahmen und der Künstlersozialabgabe, die alle Unternehmen zahlen müssen, die Künstler*innen beschäftigen.

Selbstständige mit nur einem Auftraggeber

In der Regel hast du als Selbstständige*r mehrere Auftraggeber*innen – sonst könnte der Verdacht auf Scheinselbstständigkeit entstehen. In manchen Fällen ist es aber auch möglich, nur einen Auftraggeber zu haben. Dies wird dann als arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit bezeichnet. Trifft diese Situation auf dich zu, musst du in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.

Sonderfälle

In bestimmten Berufsgruppen gibt es noch weitere Pflichtversicherungen für Selbstständige. So müssen sich Küstenschiffer*innen, -fischer*innen und Seelots*innen ebenfalls rentenversichern, sofern sie weniger als vier Angestellte haben. 

Ein weiterer Sonderfall sind Frachtführer*innen. Sie sind dazu verpflichtet, eine Frachtführerversicherung abzuschließen. Diese sichert gegen Schäden an den Waren ab, die transportiert werden. Für Reiseveranstalter*innen ist eine Insolvenzversicherung gesetzlich vorgeschrieben. Wach- und Sicherheitsdienste müssen laut Bewachungsverordnung eine Betriebshaftpflichtversicherung abschließen.

Wann Selbstständige keine Pflichtversicherung brauchen

Insbesondere bei der Rentenversicherung gibt es einige Ausnahmen von der Versicherungspflicht. Befreit bist du von ihr, wenn du …

  • nicht mehr als 450 EUR im Monat verdienst
  • mit einer Übungsleiterpauschale bezahlt wirst
  • im Bildungsbereich tätig bist und versicherungspflichtige Angestellte hast
  • als Seelots*in, Küstenschiffer*in oder -fischer*in vier oder mehr Angestellte hast
  • als selbstständige*r Handwerker*in mindestens 18 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt hast und Beitragsfreiheit beantragst
  • nur einen Auftraggeber hast und deine Gründung weniger als drei Jahre zurückliegt
  • schon in Rente bist

Wenn du dir unsicher bist, was auf dich zutrifft, kannst du bei der Deutschen Rentenversicherung oder deiner Kammer nachfragen. Wichtig ist, dass du schnell handelst, wenn eine Versicherungspflicht für deine Tätigkeit besteht. Sonst musst du später alles auf einmal nachzahlen. Manchmal werden auch Bußgelder verhängt.

Warum du manche Risiken auch ohne Pflicht absichern solltest

Die Pflichtversicherungen für Selbstständige gibt es aus gutem Grund: Risiken wie Verlust der Arbeitsfähigkeit, Haftung oder Altersarmut sind gesellschaftlich so gewichtig, dass es sinnvoll ist, auch Selbstständige dazu zu zwingen, sich abzusichern. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass manche Berufsgruppen höheren Risiken ausgesetzt sind als andere. Aber auch wenn du nicht per Gesetz oder Standeskammer verpflichtet bist, bestimmte Risiken zu versichern, kann das oft sinnvoll sein. Eine auskömmliche Altersvorsorge ist schließlich auch für Selbstständige wichtig. Im Gesundheitswesen schließt in der Regel auch das Pflegepersonal eine Berufshaftpflichtversicherung ab, obwohl keine Pflicht besteht. Und auch eine Berufsunfähigkeits- oder Unfallversicherung kann nicht schaden, besonders wenn die Ausübung deines Berufs mit Gefahren einhergeht.

Welche Risiken hast du in deiner Selbstständigkeit und wie kannst du mit ihnen umgehen? Nutze unser Versicherungs-Tool, um genau das herauszufinden. Es hilft dir einzuschätzen, welche Versicherungen sinnvoll sein könnten, und ist eine gute Basis für ein Gespräch mit einem/einer Versicherungsmakler*in oder einer sonstigen beratenden Person.

Zusätzliche nützliche Versicherungen für Selbstständige

In diesem Artikel hast du die wichtigsten Versicherungen für Selbstständige bereits kennengelernt:

  • Kranken- und Pflegeversicherung
  • Rentenversicherung
  • Unfallversicherung
  • Berufshaftpflichtversicherung
  • Vermögensschadenhaft­pflichtversicherung

Je nach Branche kann es sinnvoll sein, weitere Risiken durch eine Versicherung zu decken. Zu den sinnvollen Versicherungen zählen beispielsweise:

  • Produkthaftpflichtversicherung
  • Kfz- und Fuhrparkhaftpflicht­versicherung
  • Cyberhaftpflichtversicherung
  • Betriebsinhaltsversicherung
  • Betriebsunterbrechungs­versicherung
  • Gewerberechtsschutz­versicherung
  • Transportversicherung
  • Maschinenbruchversicherung
  • Vertrauensschaden­versicherung

Mehr zu den einzelnen Versicherungsarten erfährst du in unserem Artikel über die gängigsten Gewerbeversicherungen.

Fazit

Je nach Branche gibt es unterschiedliche Pflichtversicherungen für Selbstständige. Diese musst du in jedem Fall abschließen. Vergisst du dies, sind hohe Nachzahlungen und eventuell auch Bußgelder die Folge. Informiere dich daher unbedingt rechtzeitig darüber, welche Versicherungen für dich verpflichtend sind. Je früher du dich darum kümmerst, desto mehr Zeit hast du, ein passendes und günstiges Angebot zu finden. Beachte bitte auch, dass manche Versicherungen zwar nicht gesetzlich, aber von der jeweiligen Standeskammer vorgeschrieben sind.

Selbst wenn du nur zur Kranken- und Pflegeversicherung verpflichtet bist, musst du dir überlegen, ob du weitere Versicherungen abschließen solltest, um deine individuellen Risiken abzudecken. Wenn du mit Menschen, wertvollen Gütern oder hohen Geldsummen arbeitest, solltest du diesem Thema etwas Aufwand gönnen. Nutze unser Versicherungs-Tool und besprich unsere Auswertung samt deiner Einschätzung am besten mit einer/einem Versicherungsmakler*in oder einer sonstigen Fachperson. So findest du die passende Lösung für deine Tätigkeit.


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bhp